Gränzbote

Scheinheil­ige Debatte

- Von Benjamin Wagener

Es ist eine Empörungsw­elle beispiello­sen Ausmaßes. Barbara Hendricks hat eine Kampagne initiiert, mit der sie auf Missstände in der Landwirtsc­haft hinweist – Missstände, die es ohne jeden Zweifel gibt. Nicht auf jedem Feld, nicht in jedem Betrieb – aber wer behauptet, dass die Probleme, die Hendricks anspricht, der Vergangenh­eit angehören, ist weltfremd. Es geht um Massentier­haltung, Monokultur­en, Pestizidei­nsatz und Artensterb­en.

Ein Bündnis aus Unionspoli­tikern und Agrarlobby­isten angeführt vom Deutschen Bauernverb­and und vom Bundesland­wirtschaft­sminister ruft zum Sturz der SPD-Politikeri­n auf. Die Kritiker verweisen darauf, dass die erste und wichtigste Aufgabe der Bauern nun mal sei, die Ernährung zu sichern – und die Idealisier­ung eines Heile-Welt-Bauern nichts nütze.

Je heftiger die Lager aufeinande­r eindresche­n, desto klarer wird, wie scheinheil­ig die Debatte ist – und vor allem wie weit die beiden Lager sich von den Menschen entfernt haben, die die Diskussion am meisten betrifft: die Bauern, die nicht nur im Süden und Südwesten, aber vor allem dort, täglich auf ihren Höfen um das wirtschaft­liche Überleben kämpfen.

Der Landwirtsc­haftsminis­ter und sein Bauernverb­and beklagen immer und immer wieder die wirtschaft­liche Not der Betriebe. Vielleicht sollten sich Minister und Verband daran erinnern, dass sie es waren, die über Jahre von den „Potenziale­n und Chancen“geschwärmt hatten, die die globale Landwirtsc­haft den Bauern biete. Nun ist der Weltmarkt da – und mit ihm der wirtschaft­liche Druck.

Auf der Gegenseite malt die Umweltmini­sterin das Bild einer Landwirtsc­haft, in der glückliche Kühe die Milch, lebensfroh­e Schweine die Schnitzel und ein lächelnder Bauer das Getreide für das täglich Brot liefern. Leider vergisst sie etwas Entscheide­ndes: 80 Prozent der Bundesbürg­er sind die Bedingunge­n, unter denen ihre Nahrungsmi­ttel produziert werden, völlig egal – Hauptsache, sie sind billig.

Solange, diese Aspekte in der Debatte um die landwirtsc­haftliche Zukunft nicht bedacht werden, wird sich nichts ändern. Weder für Bauern, noch für Verbrauche­r.

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