Sein und Schein in märchenhaftem Gewand
Theater Mimikri gibt „Des Kaisers neue Kleider“in der Stadthalle
TUTTLINGEN - Prächtige Kostüme und Kulissen wie aus dem Bilderbuch, Darsteller, die ihr Spiel mit Tanz und mitreißender Life-Musik bereichern: „Des Kaisers neue Kleider“ist ein besonders zauberhaftes Märchenspiel gewesen, das das junge Publikum in der fast ausverkauften Stadthalle nach 90 Minuten zu lauten „Zugabe“-Rufen animiert hat.
Das „Theater Mimikri“hat ganz aktuelle Themen in seine inhaltlich behutsam modernisierte Adaption des Andersen-Märchens gepackt: Es geht um Schein und Sein, um Wahrheit und Betrug.
List wird belohnt
Kaiser Klemens braucht ständig neue Kleider, denn nur dann, so glaubt er, ist er in den Augen der anderen etwas Besonderes. Die Staatskasse ist deshalb leer, und Weber Walter und Schneiderin Else sind seit Langem nicht mehr bezahlt worden. Um an ihren Lohn zu kommen, greifen die beiden zu einer List. Verkleidet als Modeschöpfer aus fernen Ländern, versprechen sie dem Kaiser Kleider mit magischen Kräften: Wer dumm sei , könne diese Kleider nicht sehen. Und so schneidern die beiden „Luftkleider“ohne Material. Doch niemand, auch nicht der Kaiser selbst, gibt zu, gar nichts zu sehen. Jeder befürchtet, sich sonst als „dumm“zu erkennen zu geben und lobt die angeblich wunderschönen neuen Kleider. Erst als der Kaiser bei einer Parade in Unterwäsche erscheint, deckt ein unbestechliches Kind den Betrug auf.
Während Andersen die Weber als Betrüger zeichnet, kommen Weber und Schneiderin in der „Mimikri“Aufführung nur durch ihre List zu ihrem rechtmäßigen Lohn. Und die Kinder in der Aufführung sind allesamt auf deren Seite, denn alle anderen im Hofstaat sind es ja, die aus Angst vor Nachteilen lügen.
Barocke Kostüme in fein aufeinander abgestimmten Farben warten mit liebevollen Details wie einem Nadelkissen als Haarschmuck der Schneiderin auf. Flexible Kulissen lassen die Kinder Szenenwechsel auf offener Bühne erleben und auf den goldenen Palastvorhängen spielen sich geheimnisvolle Schattenrissszenen ab. Beides zusammen verschafft dem jungen Publikum einprägsame Bilder.
Doch auch temporeiche Verfolgungsjagden und hinreißende Instrumentalmusik sorgen für eindringliche Eindrücke. Jeder Rolle wird ein Instrument zugeordnet. Da die Schauspieler in Doppelbesetzungen agieren, bietet das Ensemble am Ende eine musikalische Bandbreite von Ukulele über Blasinstrumente bis zum funktionstüchtigen Miniatur-Klavier, und marschiert beim großen musikalischen Finale auch noch durch die Publikumsreihen. Nach 90 Minuten entlädt sich bei den Kindern allerhöchste Konzentration in Jubel und Applaus.