Der Mahner
„Wann wird er gewählt?“twitterte jemand kurz nach der Rede von Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Denn dieser hatte mal wieder so gesprochen, als ob er sich selbst für das höchste Amt im Staat empfohlen hätte. Das hatten sich viele Unionsabgeordnete gewünscht, doch Norbert Lammert will im Herbst aus dem Bundestag ausscheiden. Lammert ist hoch angesehen und wird in allen Fraktionen geschätzt. Denn er hat sein Amt überparteilich ausgeübt. Ganz gleich, ob er Angela Merkel zur Ordnung rief oder in der EuroFinanzkrise CDU-Abweichlern das Wort erteilte.
Der 67-jährige Bochumer Lammert, der seit 37 Jahre dem deutschen Bundestag angehört, hatte in einem Brief an den Bochumer Kreisverband seine Entscheidung zum Verzicht so begründet: „Ich denke, es ist nun Zeit für einen Wechsel, zumal auch ich nicht immer jünger werde.“
Was der Bundestag verliert, wenn Lammert geht, wurde jetzt noch einmal überdeutlich. Der große Applaus für seine Rede zeigte, wie ernst seine Mahnung genommen wird, als er auf die Notwendigkeit der europäischen Zusammenarbeit hinwies. „Das war vermutlich eine der letzten Bundesversammlungen, in der mit ganz großer Mehrheit demokratische Mehrheiten das Parlament repräsentieren", meinte der CDUPolitiker Roderich Kiesewetter.
Mit seinem feinen Humor hat sich Lammert in den letzten jahren in die Herzen vieler Abgeordneter geredet. Dabei verfolgt er auch eine gewisse Beharrlichkeit, wenn es um seine politischen Pläne geht. Dass das Wahlrecht verändert werden soll, damit der Bundestag im September nicht aus allen Nähten platzt, dieses Anliegen trug Lammert bei seiner Rede zur Wahl Steinmeiers mit dem üblichen Humor vor. Und als er großen Applaus dafür erntete, stellte er schnell fest, dass dies „eine gefühlte verfassungsmäßige Mehrheit“war. (sal)