Deutsche Kinolandschaft wird vielfältiger
Trotz weniger Kinogänger nimmt die Zahl der Säle zu – Programmkinos beliebt
RAVENSBURG - Den deutschen Kinos fällt es in Zeiten von Streamingportalen im Internet offenbar schwerer, Publikum anzulocken. Wie die Filmförderungsanstalt (FFA) mitteilte, zählten die Filmtheater 2016 insgesamt 121,1 Millionen Besucher – 18,1 Millionen weniger als im Vorjahr. Der Umsatz fiel um 144 Millionen auf eine knappe Milliarde Euro. Dennoch blickt die Branche zuversichtlich in die Zukunft. In Deutschland wurden in den letzten zwei Jahren sogar deutlich mehr Kinos und Säle eröffnet als geschlossen.
Programmkinos mit Zulauf
Es sind vor allem die kleinen Programmkinos mit ihrem vielseitigen Angebot, die trotz des allgemeinen Besucherrückgangs optimistisch bleiben. Denn immer weniger Filmfreunde gehen in die Großkinos. 2010 besuchte noch die Hälfte aller Kinogänger Multiplexkinos. Sechs Jahre später waren es nur noch 44 Prozent.
„Die Betreiber der Arthouse-Kinos jammern nicht. Sie sind eigentlich ganz glücklich“, sagt Uwe Rosentreter, Sprecher der MFG Filmförderung Baden-Württemberg, die hauptsächlich kleinere und kommunale Kinos unterstützt. Ihnen bescheinigt er keine größeren Probleme, da sie ein spezielles Zielpublikum ansprechen würden, etwa künstlerische Filme zeigen oder Wert auf bequeme Sitze mit viel Platz legen. Beispiele dafür sind die Linse in Weingarten, der Cineclub in Leutkirch (beide Kreis Ravensburg) oder das Laemmle-Kino in Laupheim (Kreis Biberach). Dem stimmt Reinhard Güll vom Statistischen Landesamt Baden-Württemberg zu: „Programmkinos und Kommunale Kinos wurden modernisiert und haben sich vor allem in Universitätsund Großstädten etabliert.“Allerdings könne man wegen der fortschreitenden Digitalisierung nicht einschätzen, wohin die Reise geht.
Dass die Programmkinos besonders von den deutschen Produktionen profitieren konnten, freut FFAVorstand Peter Dinges: „Für das Arthouse-Kino war 2016 ein wirklich gutes Jahr, in dem – Klasse statt Masse – endlich auch einmal die kulturelle Wertschätzung des deutschen Films sichtbar wurde“, sagt er. 27,7 Millionen Kinobesucher sahen sich deutsche Filme in Kinos an, etwa den Kassenschlager „Willkommen bei den Hartmanns“.
Die deutschen Filme haben einen Marktanteil von 22,7 Prozent, ein Jahr zuvor waren es jedoch noch 27,5 Prozent. „Kino ist wie Wein – es gibt Spitzenjahrgänge, und es gibt gute Jahrgänge“, erklärt Dinges. In dieser Hinsicht sei 2016 ein „guter Jahrgang“gewesen. Außerdem gebe es Grund für Optimismus, weil im laufenden Jahr „wieder die ganz großen Blockbuster“dabei seien. Ein weiterer positiver Trend ist zu erkennen: Die Zeit der Kinoschließungen ist vorbei. Im Südwesten ist die Zahl der Spielstätten zum fünften Mal in Folge gewachsen. Zurzeit gibt es hierzulande 249 Häuser mit insgesamt 665 Sälen. Damit liegt Baden-Württemberg im Ländervergleich an dritter Stelle. Nur Nordrhein-Westfalen und Bayern können mehr aufweisen. Bundesweit bringen zurzeit 1654 Spielstätten Filme auf die Leinwand. Sie kommen zusammen auf 4739 Kinosäle und 788 000 Sitzplätze.
Regional große Unterschiede
Der Trend macht sich aber nicht überall bemerkbar. Manche Regionen müssen ganz ohne Kinos auskommen. Auch im Verbreitungsgebiet der „Schwäbischen Zeitung“gibt es solche Versorgungslücken. Wer zum Beispiel in Meßkirch, Stockach oder Pfullendorf wohnt, der ist für das Filmvergnügen im großen Saal auf Verkehrsmittel angewiesen. Von dort dauert eine Fahrt bis zum nächsten Kino mindestens 20 Minuten. Dabei hatten die drei Orte früher einmal selbst Filmtheater. Sie mussten aber meist schon in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aus wirtschaftlichen Gründen schließen. In Pfullendorf gab es einst fünf Spielstätten, in Stockach vier und in Meßkirch zwei.
Peter Dinges, FFA-Vorstand
Nicht nur in Kleinstädten, auch in Ballungsräumen schrumpfte die Zahl der Kinos teils rapide, beschränkt sich heute auf einige wenige Multiplex- und diverse Programmkinos. Von 1953 bis 2010 gab es in Friedrichshafen beispielsweise das „Kino-Center“mit drei Vorführräumen und knapp 550 Plätzen. Es wurde in 1970er- und 1980er-Jahren erweitert, musste aber später aufgeben, weil sich weitere Investitionen in die Technik nicht mehr lohnten. Mit dem neuen, sieben Säle zählenden Cineplex im „Bodensee-Center“war die Konkurrenz zu groß geworden.
Gleiches galt für das Union-Filmtheater in Tuttlingen, das im Jahr 1919 gegründet wurde und noch bis 2004 Filme zeigte. Damals passten 750 Zuschauer in die ehemalige Festhalle der Drei-Kronen-Brauerei. Das Union schloss seine Pforte, als der trutzige Scala-Neubau mit fünf modernen Sälen am Donauufer eröffnet wurde. In Biberach machte die Eröffnung des Sternenpalastes (heutiger Traumpalast) das Ringtheater mit seinen drei Sälen und 517 Plätzen unrentabel, weil die Besucher ausblieben, während die Kosten stiegen. Das Kino musste 2005 schließen.
„Für das Arthouse-Kino war 2016 ein wirklich gutes Jahr.“
Auf der Suche nach einem Kino im Südwesten? Unter www.schwaebische.de/kinolandschaft finden Sie die Lichtspielhäuser im Verbreitungsgebiet der „Schwäbischen Zeitung“.