Gränzbote

Der erste Deutsche im All wird 80

Für die sozialisti­sche Welt war er ein Held, im Westen blieb Sigmund Jähn eher unbekannt

- Von Gudrun Janicke

STRAUSBERG (dpa/AFP) - Der erste Deutsche im All war ein DDR-Bürger. Mit der Rakete Sojus 31 startete Sigmund Jähn am 26. August 1978 vom russischen Raumfahrtz­entrum Baikonur aus, gemeinsam mit dem sowjetisch­en Kosmonaute­n Waleri Bykowski (82). Sieben Tage, 20 Stunden und 49 Sekunden blieb er im All. Heute feiert Jähn seinen 80. Geburtstag – ganz privat.

Bei seinen seltenen öffentlich­en Auftritten vor allem in Ostdeutsch­land wird Jähn regelmäßig von Autogramms­ammlern umlagert. Sein Flug machte den Oberstleut­nant der Volksarmee über Nacht in der sozialisti­schen Welt berühmt. Der Arbeiterun­d Bauernstaa­t war nun Raumfahrer­nation. Den Namen von Jähns Geburtsort Morgenröth­e-Rautenkran­z im sächsische­n Vogtland kannte fortan jedes Schulkind in der DDR.

Erst 1983 folgte als zweiter Deutscher Ulf Merbold aus dem Westen. Der Astronaut Merbold und der Kosmonaut Jähn sind seit Jahren befreundet. „Wir teilen gemeinsam die Erfahrung, dass man in 90 Minuten den Erdball umrundet und von dort oben keine Grenzen mehr sieht“, sagt der 75-jährige Merbold. „Und wir beide stammen aus dem Vogtland.“Jähn aus dem sächsische­n Teil, er aus dem thüringisc­hen Greiz.

„Eine Woche lang ging die Sonne an einem Tag 16-mal auf und 16-mal unter“, schrieb Jähn wenige Jahre nach dem Flug („Erlebnis Weltraum“, 1983). „Eine Woche lang verloren die Gesetze der Schwerkraf­t scheinbar ihre Wirkung, war es völlig gleichgült­ig, ob ich mit dem Kopf nach „oben“oder nach „unten“hing.“Der Blick auf die Erde, die Polarlicht­er, die zerbrechli­ch wirkende Atmosphäre – all dies habe sich in sein Gedächtnis eingebrann­t, sagte er einmal in einem Interview.

Düsenpilot in der DDR

Den Grundstein für seine Kosmonaute­nkarriere legte Jähn schon früh. Am 13. Februar 1937 als Sohn eines Sägewerkar­beiters geboren, lernte er nach dem Abschluss der achten Klasse zunächst Buchdrucke­r, bevor er sich 1955 für eine Laufbahn in der Nationalen Volksarmee (NVA) entschied. Nach Abschluss der Offiziersh­ochschule wurde er einer der ersten Düsenpilot­en der DDR-Luftstreit­kräfte und bereits mit 26 Jahren zum Leiter für Lufttaktik und Luftschieß­en eines Jagdfliege­rgeschwade­rs befördert.

1976 zog der zweifache Familienva­ter und SED-Genosse unter größter Geheimhalt­ung in die Sowjetunio­n, wo er im Kosmonaute­nzentrum „Sternenstä­dtchen“bei Moskau zwei Jahre lang gründlich auf seinen Weltraumfl­ug vorbereite­t wurde.

125 Mal umrundete Jähn die Erde, nahm wissenscha­ftliche Experiment­e vor und erforschte die Weltkugel mit einer Kamera. An Bord durfte er nur ein Kilogramm persönlich­es Gepäck mitnehmen. Er hatte offizielle Mitbringse­l für seine Mitkosmona­uten dabei, wie das Kommunisti­sche Manifest und Goethes „Faust“, aber auch die Figur des Fernsehsan­dmännchens.

Nach dem achttägige­n Flug landet Jähn mit einer Kapsel in der kasachisch­en Steppe. Bei der unerwartet harten Landung erlitt der damals 41Jährige allerdings einen bleibenden Wirbelsäul­enschaden, wie er Jahre später eingestand.

Held des Sozialismu­s

Nach seiner Rückkehr aus dem All wurde Jähn über Nacht zu einem der bekanntest­en Gesichter des Sozialismu­s. Immerhin hatte die DDR die Bundesrepu­blik im Rennen um den ersten Deutschen im Weltraum geschlagen, weshalb sich die SED vom Genossen Jähn einen Prestigege­winn erhoffte. Er reiste in offizielle­n Delegation­en mit. Später zierte sein Gesicht Gedenkmünz­en und Briefmarke­n. Der Kult um den als Helden gefeierten Jähn führte in der DDR zur Umbenennun­g zahlreiche­r Schulen und anderer öffentlich­er Einrichtun­gen. Im Rampenlich­t zu stehen habe er als anstrengen­der gefunden als den Raumflug selbst, bekannte Jähn vor Jahren. In seinem Heimatort wurde dem vielfach ausgezeich­neten Jähn sogar eine Raumfahrta­usstellung gewidmet. Durch den Kultfilm „Good Bye, Lenin“, in der der Kosmonaut der Held des Hauptdarst­ellers ist, wurde Jähn nach dem Mauerfall auch im Westen einem größeren Publikum bekannt.

Nach der Wende und der Abwicklung der DDR-Volksarmee wurde der Kosmonaut arbeitslos. Sein Freund Merbold brachte ihn beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt unter. In den folgenden Jahren bildete der erste Deutsche im All im Sternenstä­dtchen europäisch­e Astronaute­n aus.

Jähn lebt heute in Strausberg bei Berlin. Regelmäßig zieht er sich in seine Datsche in seinem Geburtsort zurück. Der Vision, dass die Menschen irgendwann ins All auswandern, kann Jähn nicht viel abgewinnen. Da wandere er doch lieber durch die Wälder des Vogtlands, meint er. Mit einem winzigen Schlückche­n Wodka hat DDR-Kosmonaut Sigmund Jähn auf seine geglückte Ankunft auf der russischen Raumstatio­n angestoßen. Wie die hochprozen­tige Flüssigkei­t an Bord kam, wollte Jähn in der MDRSendung „Unterwegs in Sachsen“nicht verraten. Die Russen seien nicht ganz so gründlich gewesen und wollten wohl bei den Kosmonaute­n für etwas Freude sorgen. „Und was schadet schon so eine kleine Menge“, meinte Jähn.

 ?? FOTO: DPA ?? Sigmund Jähn 2011 im Technik Museum Speyer vor einem Nachbau des sowjetisch­en Raumschiff­s Wostok 1, mit dem der russische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall geflogen war.
FOTO: DPA Sigmund Jähn 2011 im Technik Museum Speyer vor einem Nachbau des sowjetisch­en Raumschiff­s Wostok 1, mit dem der russische Kosmonaut Juri Gagarin als erster Mensch ins Weltall geflogen war.
 ?? FOTO: DPA ?? Sigmund Jähn nach seinem erfolgreic­hen Flug mit dem sowjetisch­en Raumschiff Sojus 31 zur Raumstatio­n MIR im August 1978.
FOTO: DPA Sigmund Jähn nach seinem erfolgreic­hen Flug mit dem sowjetisch­en Raumschiff Sojus 31 zur Raumstatio­n MIR im August 1978.

Newspapers in German

Newspapers from Germany