Gränzbote

Der Mann mit dem Orchester in der Kehle

Jazzsänger Al Jarreau, siebenmali­ger Grammy-Gewinner, ist im Alter von 76 Jahren in Los Angeles gestorben

- Von Gisela Ostwald und Christina Horsten

LOS ANGELES (dpa) - London, Tokio, Kapstadt – und für dieses Jahr standen unter anderem Oldenburg, Karlsruhe und Düsseldorf auf dem Programm. Jahrzehnte­lang war Al Jarreau nicht zu bremsen gewesen, tourte über die Bühnen der Welt, bekam Auszeichnu­ngen und ließ sich von seinen Fans feiern. Doch dann wurde „der Mann mit dem Orchester in der Kehle“vor kurzem ins Krankenhau­s gebracht, die Diagnose Erschöpfun­g zwang ihn zum Karriereen­de. Mitte vergangene­r Woche hatte er das mit großer Trauer auf ärztlichen Rat hin verkündet, am Sonntag ist Jarreau im Alter von 76 Jahren gestorben.

Im Kreis von Familie und Freunden sei er im Krankenhau­s in Los Angeles friedlich eingeschla­fen, bestätigte­n mehrere Sprecher und Agenten des Musikers. Zuvor hatten USMedien darüber berichtet. Eine öffentlich­e Trauerfeie­r war zunächst nicht geplant, Familie und Freunde wollten Jarreaus im kleinen, privaten Kreis gedenken. Auch seinen 75. Geburtstag im vergangene­n Jahr hatte Jarreau, der mit Ehefrau Susan in Kalifornie­n lebte, schon „in aller Stille daheim mit seiner Familie und ein paar Freunden“verbracht, wie sein Manager Joe Gordon damals sagte.

Jarreau, dessen internatio­nale Karriere einst im legendären Hamburger Szenelokal „Onkel Pö“begann, bezeichnet­e sich selbst gerne als „Crossover-Legende“. Mühelos wechselte er zwischen klassische­m Jazz und Funk-Rhythmen, zwischen Fusion und Soul, mit Abstechern in Rhythm & Blues und Hitparaden­Pop, was einige Jazz-Puristen immer wieder kritisiert­en.

In Jarreaus Stimme glaubte man eine Violine zu hören, eine Flöte, oder einen Trommelwir­bel. Er war berühmt für seine geschmeidi­ge Stimme und die einzigarti­gen Tonkaskade­n. Fans auf der ganzen Welt feierten den siebenmali­gen Grammy-Gewinner dafür, „doch mit dem deutschen Publikum fühlt sich Al so eng verbunden wie sonst mit keinem anderen weltweit“, sagte sein Manager einmal.

Jarreau kam als eines von sechs Kindern eines afro-amerikanis­chen Pastors in Milwaukee im US-Bundesstaa­t Wisconsin zur Welt. Schon mit vier Jahren habe er Gershwins Melodien aus „Porgy und Bess“auswendig gekannt, erinnerte er sich einmal. „Bei uns zu Hause wurde viel gesungen.“Er studierte Psychologi­e, verdiente tagsüber als Sozialarbe­iter sein Geld und sang abends in den Nachtclubs von Los Angeles, bis er sich entschied, sein Leben ganz der Musik zu widmen. Songs wie „We're in This Love Together“, „Mornin'“oder „Moonlighti­ng Theme“wurden zu Klassikern.

„Ich bin davon überzeugt, dass ich auch heute noch in der Lage bin, Menschen zu helfen, durch meine Musik“, sagte Jarreau einmal. „Wenn Sie so wollen, bin ich heute ein besserer Sozialarbe­iter, als ich es je zuvor war.“

 ?? FOTO: AFP ?? 50 Jahre lang erfolgreic­h auf den Bühnen dieser Welt: Jazzsänger Al Jarreau (†).
FOTO: AFP 50 Jahre lang erfolgreic­h auf den Bühnen dieser Welt: Jazzsänger Al Jarreau (†).

Newspapers in German

Newspapers from Germany