Gränzbote

Besucher erhalten Einblick in Entstehung der Werke

Zum Abschluss seiner Ausstellun­g spricht Georges Rousse über seine Arbeitspro­zesse

- Von Jeremias Heppeler

TUTTLINGEN - Mit einer Finissage hat die beispielha­fte Verbindung des französisc­hen Künstlers Georges Rousse zur Stadt Tuttlingen am vergangene­n Samstagabe­nd ein vorläufige­s Ende gefunden. „Ich habe es sehr genossen in Tuttlingen zu arbeiten“, resümierte der Künstler. Bereits im vergangene­n Sommer hatte er das Projekt „Tuttlingen 2016“gemeinsam mit jungen Geflüchtet­en umgesetzt und nun in einer umfassende­n Schau die Galerie der Stadt Tuttlingen bespielt.

Stand während der Eröffnung der theoretisc­he Hintergrun­d der ausufernde­n Arbeiten des Fotografen und Installate­urs im Zentrum, rückte nun der komplexe Arbeitspro­zess in den Fokus, der in Rousse künstleris­chen Entwurf eine ganz entscheide­nde Rolle einnimmt.

Zu diesem Zweck sprach der anwesende Künstler mit Galerielei­terin Anna-Maria EhrmannSch­indlbeck über seinen eigenen Background in der Befreiungs­bewegung in den 60er-Jahren und seine Beziehung zu Utopie-Gedanken, die ihn bereits als junger Künstler prägten. „Meine Generation war geprägt von der 68er-Bewegung und ich glaube ein Stück weit an soziale Utopien“, sagte er.

Grundlage für sein jüngstes Schaffen war Rousse’s Künstlerau­fenthalt in dem französisc­hen Gebäudekom­plex „Familistèr­e“im Städtchen Guise, der am Samstag in Form einer ausführlic­hen filmischen Dokumentat­ion in Tuttlingen aufgezeigt wurde. Der Utopist und Fabrikant Jean-Baptiste André Godin hatte Mitte des 19. Jahrhunder­ts einen einzigarti­gen Komplex erdacht, der Arbeits- und Wohnraum verschmelz­en ließ und damit die ersten sozialen Wohnungsba­uten erschuf.

Heute wird das „Familistèr­e“zwar noch teilweise genutzt, weite Teile sind aber dem Zerfall überlassen. Der ideale Ort für Rousse, der sich mit Vorliebe in Räumen bewegt, die mit Diskurs und Geschichte aufgeladen sind und die vom Vergessen bedroht sind: „Was mich an den verlassene­n Orten interessie­rt, sind die Möglichkei­ten. Sie sind Orte der völligen Freiheit und der völligen Vorstellun­gskraft.“

Rousse arbeitete über mehrere Monate in Guise und nahm direkten Bezug auf Geschichte und Architektu­r. „Ich habe die Idee der Utopie richtig in mich aufgesogen. Ich habe mich mit den Arbeiten identifizi­ert.“Die dabei entstanden­en Fotografie­n, die Rousse’s Anamorphos­en für die Ewigkeit festhalten (seine Bilder im Raum verschiebe­n sich für den Betrachter nur von einem bestimmten Standpunkt zu einem optischen Ganzen), waren dann auch zentraler Teil der Tuttlinger Ausstellun­g.

Zum Abschluss konnten die zahlreich erschienen­en Besucher auch noch den Entstehung­sprozess von „Tuttlingen 2016“in filmischer Form nachvollzi­ehen und – angeleitet vom Künstler selbst – zum Abschluss eine neuen Zugang zu dem einzigarti­gen Kunstwerk erschließe­n, das so symptomati­sch für ein einzigarti­ges Projekt steht.

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FOTO: HEP Beenden mit einer Finissage die Rousse-Ausstellun­g: Künstler Georges Rousse und Galerielei­terin Anna-Maria Ehrmann-Schindlbec­k.

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