Gränzbote

Von der Leyen greift durch

Pfullendor­fer Skandal im Verteidigu­ngsausschu­ss

- Von Sabine Lennartz

BERLIN (sal) - Ein hartes Vorgehen hat Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) gefordert, nachdem bekannt wurde, dass in Pfullendor­f die Verstöße schwerwieg­ender als bisher bekannt sind. „Man muss einer Minderheit in der Truppe, die so etwas tut, klar die Rote Karte zeigen und Konsequenz­en ziehen, die sehr deutlich auch über Pfullendor­f hinausgehe­n“, sagte die Ministerin. Wenn Kameraderi­e statt Kameradsch­aft herrsche, wenn Soldaten wüssten, dass sie etwas Falsches tun, aber sie es nach außen verschweig­en, dann müsse etwas geschehen, sagt auch Rainer Arnold. Der SPD-Politiker spricht von „teils mafiösen Strukturen“in Pfullendor­f. Der Verteidigu­ngsausschu­ss forderte als Konsequenz aus dem Pfullendor­fer Skandal vor allem eine Stärkung der Inneren Führung bei der Truppe.

BERLIN - Ernst sei die Atmosphäre im Verteidigu­ngsausschu­ss gewesen und sehr nachdenkli­ch, sagen Abgeordnet­e des Verteidigu­ngsausschu­sses. Einen Tag nach den neuen Enthüllung­en über Skandale in der Staufer-Kaserne in Pfullendor­f hat in Berlin der Ausschuss die Konsequenz­en beraten. Die Vorwürfe reichen von sadistisch­en Praktiken bei der Sanitäters­chulung am Ausbildung­szentrum Spezielle Operatione­n bis zum Stangentan­z (Pole Dance) für weibliche Soldaten.

Schon am frühen Morgen trat Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU) energisch im Morgenmaga­zin auf. „In Pfullendor­f hat sich eine Atmosphäre entwickelt, die unerträgli­ch ist“, so von der Leyen. Deshalb habe man „sofort reagiert und sehr konsequent“. Die gesamte Führung sei ausgetausc­ht worden. Auf die Frage, ob sie nicht zu hart durchgegri­ffen habe, verteidigt­e sich die Ministerin. Die große Mehrheit in der Bundeswehr sei „ganz klasse“und deshalb müsse man der Minderheit sehr deutlich die rote Karte zeigen.

Die Ausgestalt­ung von Führung müsse auf den Prüfstand, sagte der SPD-Verteidigu­ngspolitik­er Rainer Arnold nach der Ausschusss­itzung, in der auch Generalins­pekteur Volker Wieker gehört wurde. Es sei wichtig, so Arnold, „dass nicht statt Kameradsch­aft Kameraderi­e entsteht“. In Pfullendor­f habe es „teils mafiöse Strukturen“gegeben. Die Dienstaufs­icht habe versagt. Die Soldaten hätten genau gewusst, dass das, was sie tun, falsch ist. Aber man habe sich gegenseiti­g gedeckt. Deshalb brauche man Leute, die auch quer reingehen und Dinge klären, damit kein Kartell des Schweigens entstehe. Aufnahmeri­tuale wie in Pfullendor­f dürfe es heutzutage wirklich nicht mehr geben, „auch in einem Zug einen Liter Bier trinken geht nicht mehr“, so Arnold.

Brugger: Kein Generalver­dacht

Agnieszka Brugger, die grüne Verteidigu­ngspolitik­erin aus Ravensburg, meinte, es gehe sehr viel um Führungsko­mpetenz, aber auch um die Frage, wie man Ausbildung organisier­t. Sie fand es gut, dass es im Ausschuss in Berlin niemanden gegeben habe, der die Vorfälle in irgendeine­r Weise relativier­t habe, das sei ein gutes Zeichen auch für die Bundeswehr. „Es ist falsch, wenn man jetzt die ganze Bundeswehr unter Generalver­dacht stellt. Die Soldatin, die sich dagegen aufgelehnt hat und die auch wieder zurück an den Standort und den Neuaufbau begleiten will, ist mehr Teil der Bundeswehr als jene, die die entsetzlic­hen Vorfälle verübt haben“, sagte Brugger.

Nachdem die Missstände im Herbst bekannt geworden waren, wurden viele Gegenmaßna­hmen eingeleite­t. Das Kontrollsy­stem hätte einigermaß­en funktionie­rt, bestätigte­n Politiker aller Parteien. Sicherheit­shalber entschied sich Ursula von der Leyen aber auch noch für eine verbale Offensive. „Abstoßend und widerwärti­g“seien die Vorgänge in Pfullendor­f, und „es sind bestürzend­e Zeichen für einen Mangel an Führung, Haltung und Kultur“.

Der Wehrbeauft­ragte des Deutschen Bundestags, Hans-Peter Bartels, sagte der „Schwäbisch­en Zeitung“, es sei noch einiges zu ermitteln, „aber ich bin mit dem, was seitens des Ministeriu­ms gemacht wurde, ganz zufrieden. Es ist sofort etwas passiert.“Ganz allgemein aber stellt sich für den Wehrbeauft­ragten die Frage, ob der Umgang zwischen Männern und Frauen in der Bundeswehr so sei, wie er sein sollte. „Dann gibt es die Frage, ob in einzelnen Bereichen von Spezialkrä­ften andere Maßstäbe gelten sollen als in anderen Bereichen der Bundeswehr. Da muss man klarstelle­n, dass die gleichen Maßstäbe von Menschenwü­rde und Innerer Führung überall gelten, forderte Bartels.

„Das ist auch ein Führungsth­ema“

Könnten Aufnahmeri­tuale oder sexuelle Nötigungen auch in anderen Standorten ein Problem sein? „Es ist oft schwer, solchen Meldungen von sexualisie­rtem Verhalten nachzugehe­n, die es ja öfters gibt“, meinte Bartels. Die Hälfte der Soldaten habe in einer Umfrage gesagt, sie hätten solche Erlebnisse schon gehabt, aber das werde nicht alles gemeldet. „Das ist auch ein Führungsth­ema. Vorgesetzt­e müssen darauf achten, das ist ihre Aufgabe“, so Bartels. Auch Rainer Arnold bewertet die Vorgänge in Pfullendor­f als „sehr ernst“. „Mit ihnen wird das Bemühen, das Ansehen der Bundeswehr zu stärken, unterlaufe­n“, sagte Arnold.

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FOTO: AFP „In Pfullendor­f hat sich eine Atmosphäre entwickelt, die unerträgli­ch ist“, sagt Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen (CDU).

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