Gränzbote

Auch CDU plädiert für Blaue Plakette

Grüne und CDU sind jetzt weitgehend einig, aber es fehlt eine Mehrheit im Bundesrat

- Von Ulrich Mendelin

RAVENSBURG (ume) - Die LandtagsCD­U steht hinter dem Konzept von Verkehrsmi­nister Winfried Hermann (Grüne) für eine Blaue Plakette. CDUVerkehr­sexperte Felix Schreiner betonte aber, es müsse Ausnahmen für Handwerker, Lieferverk­ehr und Anwohner geben. Die Pflicht zur Plakette soll Autos mit hohem Schadstoff-Ausstoß aus Innenstädt­en fernhalten. Das Land muss bis Ende Februar vor Gericht darlegen, wie es die Luft in Stuttgart verbessern will.

RAVENSBURG - Das Werben von Landesverk­ehrsminist­er Winfried Hermann (Grüne) trägt Früchte: In der CDU-Landtagsfr­aktion setzt sich die Erkenntnis durch, dass der Kampf gegen Feinstaub in Stuttgart die Einführung einer Blauen Plakette erfordert. Das steht auch so im Koalitions­vertrag – bislang äußerten sich Christdemo­kraten aber eher zurückhalt­end bis skeptisch zum Thema. Nach einem Gespräch des grünen Ministers mit Verkehrspo­litikern der CDU klingt das nun anders. „Die Blaue Plakette wird kommen“, sagt ein am Gespräch beteiligte­r CDUAbgeord­neter. Sie sei jetzt „ein gemeinsame­s Projekt der Koalition“.

Die Blaue Plakette ist ein zentraler Baustein im Kampf des Verkehrsmi­nisteriums für bessere Luft – vor allem im Stuttgarte­r Talkessel. Autos mit relativ niedrigem Schadstoff­ausstoß sollen damit in entspreche­nd ausgewiese­ne Umweltzone­n fahren können. Eine Plakette bekämen den Plänen zufolge Benziner und Elektroaut­os, Dieselfahr­zeuge hingegen nur dann, wenn sie die aktuelle Euro-6-Norm erfüllen. Ältere Dieselauto­s müssten draußen bleiben. So sollen vor allem die Stickstoff­dioxidWert­e gesenkt werden. Für die Einführung einer solchen Plakette wäre der Bund zuständig.

Gericht hat Frist verlängert

Zuständig für die Luftreinha­ltung ist hingegen das Land – und es steht juristisch unter Druck: Die Deutsche Umwelthilf­e hat vor dem Verwaltung­sgericht Stuttgart Klage eingereich­t. Bis Ende Februar muss das Ministeriu­m den Richtern erklären, mit welchen Maßnahmen es künftig eine sauberere Luft gewährleis­ten will. Eigentlich wäre die Frist dafür schon abgelaufen. Das Gericht hat sie auf Bitten der Landesregi­erung noch einmal um zwei Wochen verlängert.

Bis dahin sollte die Landesregi­erung eine einheitlic­he Haltung haben. Abstimmung­sbedarf gibt es noch zwischen Hermann und Wirtschaft­sministeri­n Nicole Hoffmeiste­r-Kraut (CDU). Diese hatte sich in der Vergangenh­eit kritisch zur Blauen Plakette geäußert. Jetzt geht es nach Angaben ihres Sprechers noch um mögliche Ausnahmen für Wirtschaft­sverkehr wie Lieferante­n oder Handwerker, und womöglich auch für Anwohner. Darauf pocht auch der verkehrspo­litische Sprecher der CDU-Fraktion, Felix Schreiner. Am Ende könnte es auf Übergangsl­ösungen für betroffene Dieselfahr­er hinauslauf­en.

Das Konzept soll noch vor dem Ende der Frist, die das Verwaltung­sgericht dem Land gesetzt hat, auf den Kabinettst­isch kommen. Das hieße, dass sich die Ministerru­nde nächsten Dienstag mit dem Thema befassen muss, denn in der Woche darauf fällt die Kabinettss­itzung wegen der Fasnet aus.

Auch wenn sich Grüne und CDU in Stuttgart einig sind, fehlt es in Berlin an Verbündete­n. Die Bundesregi­erung wird nicht aktiv: Umweltmini­sterin Barbara Hendricks (SPD) ist für die Blaue Plakette, Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) aber dagegen. In den Bundesrat hat Baden-Württember­g einen entspreche­nden Gesetzentw­urf schon im Herbst eingebrach­t, derzeit liegt er im Umweltauss­chuss und findet keine Mehrheit. Neben Baden-Württember­g können sich bislang nur Hessen, Bremen und Berlin für den Vorstoß erwärmen.

Jürgen Resch, dem Geschäftsf­ührer der Deutschen Umwelthilf­e, gehen die Pläne der Landesregi­erung nicht weit genug. „Wir haben die Blaue Plakette erfunden, aber sie wurde gekapert“, klagt er. Aus seiner Sicht dürften auch Dieselfahr­zeuge nach Euro-6-Norm die Plakette nicht ohne weiteres bekommen. „Euro-6Diesel sind im Durchschni­tt nicht sauberer als Euro-4 oder Euro-5“, betont Resch. „Ausnahmege­nehmigunge­n darf es nur für Autos geben, die die Grenzwerte auf der Straße und zu jeder Jahreszeit einhalten.“Bislang würden die Abgaswerte im Labor ermittelt und fielen damit niedriger aus als im realen Einsatz.

Gestärkt fühlt sich Resch durch die bisherige Rechtsprec­hung. Denn auch in anderen Bundesländ­ern ist die Umwelthilf­e vor Gericht gezogen. So hatte das Verwaltung­sgericht Düsseldorf die nordrhein-westfälisc­he Landeshaup­tstadt im September verpflicht­et, mehr für saubere Luft zu tun – notfalls mit Fahrverbot­en für Dieselauto­s.

Grenzwerte gerissen

Neben der Klage der Umwelthilf­e sorgt noch ein weiteres Verfahren für Handlungsd­ruck. In einem Vergleich mit Anwohnern des besonders belasteten Stuttgarte­r Neckartors hat sich das Land verpflicht­et, ab dem 1. Januar 2018 eine „wirksame Maßnahme“umzusetzen, falls die bisherigen Bemühungen für bessere Luft nicht fruchten – also vor allem der jüngst wieder häufig ausgelöste FeinstaubA­larm, der Pendler zu einem freiwillig­en Verzicht aufs Auto bewegen soll. Dessen Erfolg ist bislang allerdings überschaub­ar. Höchstens 35 Mal pro Jahr dürften bestimmte Grenzwerte im Stuttgarte­r Talkessel eigentlich überschrit­ten werden. Aus dem Verkehrsmi­nisterium heißt es, es sei schon jetzt absehbar, dass diese Vorgabe 2017 überschrit­ten wird.

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FOTO: DPA Noch fehlen für eine Blaue Plakette Verbündete auf Bundeseben­e. Doch einen Designvors­chlag hat das Landesverk­ehrsminist­erium schon präsentier­t.

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