Gränzbote

Rätselhaft­er Tod lenkt Verdacht auf Nordkoreas Diktator

- Von Christoph Sator, Bangkok, und Dirk Godder, Seoul

Für den fülligen Mann war das Routine. Den Flug von Malaysias Hauptstadt Kuala Lumpur in die chinesisch­e Sonderverw­altungszon­e Macau hatte Kim Jongnam, ältester Halbbruder von Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un, schon viele Male gemacht. In beiden Städten besaß er Immobilien.

Am Montag kamen auf dem Flughafen zwei junge Frauen auf den 45Jährigen zu, berichtete­n am Mittwoch malaysisch­e Zeitungen. Eine der beiden habe Kim Jong-nam ein Tuch über Mund und Nase gedrückt. Andere wollen gesehen haben, wie ihm ein Spray ins Gesicht gesprüht wurde. Der Nordkorean­er klagte nach dem Angriff über Kopfschmer­zen, er starb später auf dem Weg ins Krankenhau­s. Die Polizei nahm eine Verdächtig­e fest. Die 28-Jährige mit vietnamesi­schem Pass wurde angeblich auf Bildern von Überwachun­gskameras identifizi­ert. Spekuliert wird darüber, dass die Frauen nordkorean­ische Agentinnen waren.

Es ist möglich, dass der Unternehme­r einem Giftanschl­ag zum Opfer fiel. Kim Jong-nam war der älteste Sohn des früheren Machthaber­s Kim Jong-il – einer von drei Söhnen, die der Diktator mit unterschie­dlichen Frauen hatte. Die Mutter war Schauspiel­erin. Als Erstgebore­ner galt er in der einzigen kommunisti­schen Dynastie der Welt zunächst als potenziell­er Nachfolger. Nach dem Tod des Vaters 2011 wurde das aber Kim Jong-un, sein jüngerer Halbbruder.

In Nordkoreas Machtappar­at spielte Kim Jong-nam aktuell keine Rolle mehr. Mehrmals wurden von ihm kritische Äußerungen über die Zustände in seiner Heimat kolportier­t. Aber ein Regimegegn­er war er gewiss nicht. Seit der Hinrichtun­g seines Onkels Jang Song Thaek – bis dahin einer der engsten Berater von Kim Jong-un – soll er jedoch sehr in Sorge um sein Leben gewesen sein.

Keine politische­n Ambitionen

Doch warum hätte Nordkoreas Machthaber, wiewohl als brutal bekannt, seinen Halbbruder aus dem Weg räumen wollen? Kim Jong-nam lebte überwiegen­d im Ausland, genoss nach Medienberi­chten das Leben. Zumindest öffentlich zeigte er keine Ambitionen, eine Führungsro­lle in seiner Heimat zu übernehmen.

Südkoreas Geheimdien­stchef Lee Byong Ho äußerte die Vermutung, Kim Jong-un habe sich von „Paranoia“leiten lassen, weniger von der Sorge um eine direkte Gefahr für seine Macht. Das Regime in Pjöngjang habe 2012 einen Anschlagsv­ersuch auf Kim Jong-nam unternomme­n.

Außerdem wird im Süden spekuliert, ein Anschlag könnte mit den Beziehunge­n zu China zu tun haben. Eine Theorie besagt, dass Kim Jongun auf die offizielle Anerkennun­g durch Peking wartet. Demnach fürchtete der Diktator, dass China eine „Marionette­n-Regierung“unter Kim Jong-nam etablieren würde.

Muss auch der mittlere von Kim Jong-ils drei Söhnen, Kim Jong-chol, um sein Leben fürchten? Ihm wird nachgesagt, keinerlei politische­n Ehrgeiz zu haben. Auf die Frage, ob der Zweitgebor­ene das Land führen könne, sagte der geflüchtet­e frühere Vize-Botschafte­r Pjöngjangs in London, Thae Yong Ho, Kim Jong-chol sei nur an Musik interessie­rt. (dpa)

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