Geschäfte in der Reifenbranche laufen rund
Trotz drohender US-Strafzölle Zuversicht auf internationaler Fachmesse in Hannover
HANNOVER - Weltweit sind immer mehr Fahrzeuge unterwegs, für 2017 wird eine Zunahme von drei Prozent bei den verkauften Pkw auf 85 Millionen Neuwagen erwartet. Experten warnen vor der steigenden Umweltbelastung in vielen Metropolen. Die Reifenindustrie hingegen freut sich über höhere Absatzzahlen. Bei der bis heute laufenden internationalen Fachmesse Tire Technology Expo 2017 blicken viele Aussteller optimistisch in die Zukunft – aber auch mit Vorsicht wegen der aktuellen weltpolitischen Veränderungen.
„Die Messe hat wie erwartet begonnen, wir haben gute Gespräche geführt“, sagt Alois Felder, Verkaufsleiter für Webmaschinen bei der Lindauer Dornier GmbH. Sie stellt unter anderem Maschinen für die Produktion von Reifengewebe her. „Das Gewebe ist ein kleines Bauteil, das den Reifen zusammenhält und deswegen unersetzbar ist. Für unser Unternehmen ist das eine kleine Nische, die zu fünf Prozent zum Umsatz beiträgt“, sagt Felder. Vor den in den USA angekündigten Einfuhrzöllen ist ihm nicht bang. „Dort gibt es seit den 1970er- Jahren keine eigene Produktion mehr. Die US-Kunden sind also auf Maschinen aus China oder Europa angewiesen und müssten dann die durch die Steuer erhöhten Preise zahlen.“950 der knapp 1000 Beschäftigten arbeiten in Lindau. Der Umsatz lag 2016 bei 250 Millionen Euro, davon entfallen 90 Prozent auf den Export.
Die Chiron-Werke GmbH & Co. KG aus Tuttlingen stellen in Hannover eine neue Lasermaschine vor, die Reifenformen so bearbeitet, dass durch sehr dünne Schlitze die Luft aus der Form entweichen kann. „Wir sind die ersten Anbieter mit dieser Technik, durch die die Produktion günstiger wird. Das kommt hier sehr gut an. Wir sind optimistisch, dass sich durch diese Kontakte nach der Messe Aufträge ergeben werden“, sagt Projektingenieur Georg Richter. Für das auf Fräsmaschinen spezialisierte Unternehmen spielt das Reifengeschäft bisher eine untergeordnete Rolle – das könnte sich künftig ändern. Rund 1300 Beschäftigte trugen im Vorjahr zu einem Umsatz von 335 Millionen Euro bei.
Konzentration als Chance
Die SEW-Eurodrive GmbH & Co. KG produziert Antriebstechnik, die unter anderem bei der Reifenproduktion eingesetzt wird. Sinkende Produktionskosten und gesteigerte Energieeffizienz durch SEW-Technik verspricht der am Messestand verteilte Flyer den Besuchern. „Hier in Hannover ist viel Fachpublikum, wir haben viele konkrete Gespräche geführt“, sagt Randolf Bieritz, Leiter des Drive Technology Center Nord. Die Konzentration bei den Reifenherstellern sieht Bieritz als Chance: „Dadurch können wir höhere Stückzahlen verkaufen.“In Markdorf und Dornstadt bei Ulm betreut das technische Büro von SEW mit jeweils rund einem Dutzend Mitarbeitern die Kunden in der Region. Produziert wird in Bruchsal bei Karlsruhe und im Elsass. Was passiert, wenn in Frankreich der Front National die Wahlen gewinnt und wie angekündigt Grenzkontrollen einführt und den Austritt aus der EU forciert? „Dazu wird es nicht kommen“, hofft Bieritz. Weltweit 16 000 Mitarbeiter erwirtschafteten zuletzt einen Jahresumsatz von rund 2,5 Milliarden Euro.
Nach aktuellen Zahlen des Wirtschaftsverbandes der Deutschen Kautschukindustrie arbeiteten 2015 genau 75 300 Menschen in dieser Branche, davon 24 350 in der Reifenindustrie, jeweils ein leichter Rückgang zum Vorjahr. Aus Kautschuk werden außer Reifen Gummiwaren wie Schläuche oder Karosseriedichtungen gefertigt, vor allem für die Fahrzeugindustrie. Der Umsatz lag bei 11,6 Milliarden Euro, davon entfielen auf die Reifenindustrie 5,2 Milliarden Euro. Das bedeutet eine leichte Steigerung gegenüber dem Vorjahr, die unter anderem aus dem Rekordabsatz bei der Ausstattung von Neuwagen resultiert – erstmals wurden mehr als 30 Millionen Reifen geliefert.
Laut niedersächsischem Institut für Wirtschaftsforschung ist die Zahl der deutschen Unternehmen, die auf
„Wir sind die ersten Anbieter mit dieser Technik, durch die die Produktion günstiger wird.“Projektingenieur Georg Richter von den Chiron-Werken „Hier in Hannover ist viel Fachpublikum, wir haben viele konkrete Gespräche geführt.“Randolf Bieritz, Leiter des Drive Technology Center Nord
die Herstellung und Runderneuerung von Bereifungen spezialisiert sind, in den letzten Jahren um ein Drittel zurückgegangen. Gleichzeitig sind die Unternehmen durch Übernahmen gewachsen, im Schnitt arbeiten mehr als 600 Beschäftigte in einem Betrieb. Mittlerweile werden in Deutschland nur noch Premiumreifen gefertigt. China hat inzwischen Deutschland als größter Exporteur von Kautschukwaren abgelöst. Reifen werden je zur Hälfte aus Natur- und Synthesekautschuk hergestellt, wobei Naturkautschuk zu 70 Prozent aus Thailand, Malaysia und Indonesien stammt.
Weltweit größter Reifenhersteller war 2015 nach Angaben des Statistischen Bundesamtes Bridgestone mit einem Umsatz von 27 Milliarden Dollar, gefolgt von Michelin (22), Goodyear (16), Continental (11,5) und Pirelli (7). Tire Technology Expo Hannover ist eine europäische Messe für Reifenkonstruktion und -herstellung. 220 Aussteller sind in Hannover vertreten. Die Messe gibt einen Einblick in Technologien für Ausrüstung und Materialien.