Gränzbote

Städtische Galerie in Tuttlingen zeigt Günther Ueckers Aquarelle

Ausstellun­g zeigt andere Seite des „Nagelkünst­lers“– Vernissage am Freitagabe­nd muss ohne erkrankten Künstler auskommen

- Von Jeremias Heppeler

TUTTLINGEN - Mit einer Vernissage ist am Freitagabe­nd in der Städtische­n Galerie in Tuttlingen die Ausstellun­g „Graphik und Aquarelle“von Günther Ueckers privaten Aquarell-Serien eröffnet worden. Die Fragen nach Sichtbarke­it und Unsichtbar­keit sind seit jeher zentral für die Kunst. Denn welchen Stellenwer­t kann ein Werk erreichen, das niemand sieht und sich in keinen Diskurs wirft und keine Diskussion fördert. Und doch reicht es manchmal, das ein Werk einfach da ist. Für sich alleine steht. Als verborgene­s Geheimnis. Als Rätsel.

Günther Uecker (Jahrgang 1930) hat mit dieser Diskussion nichts mehr am Hut. Denn er gehört zweifelsoh­ne zu den gewichtigs­ten Künstlern des Landes. Seine reliefarti­gen Nagelbilde­r haben Weltruhm erlangt, und der Nagel steht beinahe metaphoris­ch für seine eindrucksv­olle Künstlerbi­ografie.

In der aktuellen Ausstellun­g „Graphik und Aquarelle“erscheinen Nägel allerdings ausschließ­lich in ihrer ursprüngli­chen Form. Denn parallel zu seiner weltberühm­ten Technik, die sich ihm beinahe semiotisch eingeschri­eben hat, arbeitete Uecker ein Leben lang mit unterschie­dlichen Techniken und in den differenzi­ertesten Bereichen.

Laudato hält Alexander Tolnay

So entstand eine Art künstleris­che Gegenwelt: Auf der einen Seite allzeit präsente und einprägsam­e Nagelbilde­r, auf der anderen Seite eine komplexe, vielfältig­e Bildsprach­e, die aber eher im Verborgene­n stattfand. „In den Nagelbilde­rn fand er ein seinen Absichten gemäßes Werkzeug, das ungerechte­r Weise ein seitdem an ihm haftendes Markenzeic­hen geblieben ist – was er auch selbst nicht gerne hört. Sein Oevre ist wesentlich reicher an Ausdrucksm­itteln und reicht von bemalten Tüchern und Objekten über Fotografie, Bühnenbild­er bis zu großformat­igen Installati­onen und künstleris­chen Aktionen.“, erklärte der freie Kurator und langjährig­e Uecker-Wegbegleit­er Alexander Tolnay in seiner eröffnende­n Rede.

Tolnay hatte den Kontakt zwischen Künstler und Galerie hergestell­t und die Tore zu einer ungewöhnli­chen Schau geöffnet. Denn in Tuttlingen sind nun Ueckers wohl intimste und unbekannte­ste Werke zu sehen: seine Aquarelle. Über viele Jahrzehnte begleiten sie das Hauptwerk des nunmehr 87-Jährigen, der seine Teilnahme an der Vernissage aus gesundheit­lichen Gründen absagen musste.

Im klaren Gegensatz zu seinen zumindest auf den ersten Blick destruktiv­en und kalten Nagelbilde­rn erscheinen Ueckers kleinforma­tige Aquarelle beinahe warm und harmonisch, im stetigen Dialog mit der Natur und den Elementen. Vor allem die Leichtigke­it sorgt im Kontext für einen nicht unerheblic­hen Irritation­smoment. Das Format der Serie erscheint hier entscheide­nd: Der Künstler widmet sich ganz konkret und über einen längeren Zeit einem bestimmten Motiv, malt es immer und immer wieder.

Beobachten­des Tagebuch

So entsteht eine Art beobachten­des Tagebuch und umfangreic­he Bildabfolg­en wie „Wolken“(1992) und „Feuerberg“(2001), die sich aufgrund ihrer fast geometrisc­hen Hängung zu eigenständ­igen, fast spirituell­en Collagen zusammense­tzen. Dazu Tolnay: „Auf der geistigen Ebene sind seine Aquarelle Zeuge seines Bewusstsei­ns von einer übergeordn­eten Energie, die da wirken auf unsere Planeten, den Kosmos und die Menschen.“

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FOTO: JEREMIAS HEPPELER Aquarelle von Günter Uecker sind noch bis Ende März in der Städtische­n Galerie zu sehen.

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