Etwas weniger Behörde sein
Der Motorenbauer Rolls-Royce Power Systems ist unzufrieden mit seinen Gewinnmargen – und will agiler werden
FRIEDRICHSHAFEN - Die ersten Reisen des neuen Chefs geben die Richtung der Traditionsfirma aus Friedrichshafen vor: Gerade mal zwölf Wochen in der Verantwortung war Andreas Schell bereits in Indien und den USA. Und noch in dieser Woche fliegt der Vorstandsvorsitzende des Motorenherstellers Rolls-Royce Power Systems (RRPS) nach China. Das Ziel war und ist überall das gleiche. „Näher an die Kunden ran, wir müssen agiler werden“, sagt der Maschinenbauingenieur. Schells Finanzchef bringt es prägnanter auf den Punkt: „Wir müssen ein bisschen weniger Behörde sein und ein bisschen mehr Markt erlauben“, erläutert Marcus Wassenberg, der bei RRPS nicht nur die Finanzen verantwortet, sondern auch als Arbeitsdirektor fungiert.
Die Vorstände sind auf einer Mission: Sie wollen die Tochter des englischen Triebwerkherstellers Rolls-Royce für die Zukunft so umbauen, dass der Motorenbauer, den einst der Konstrukteur Karl Maybach und Ferdinand Graf von Zeppelin gründeten, auch in Zukunft wettbewerbsfähig ist – und die Gewinnmargen wieder stimmen. Und die stimmen nach Ansicht von Schell und Wassenberg seit einigen Jahren immer weniger.
Deutlich gemacht haben das die RRPS-Vorstände am Dienstag bei der Bilanzpressekonferenz am Stammsitz in Friedrichshafen. Zwar legt das Unternehmen in einem schwierigen Marktumfeld für das vergangene Geschäftsjahr ordentliche Zahlen vor, zeigt sich aber überhaupt nicht zufrieden mit der Situation.
Der Grund liegt in den sinkenden Gewinnen. „Wir haben nun im fünften Jahr in Folge die Umsätze konstant gehalten, die Gewinnmargen fallen aber auch konstant“, sagte Wassenberg. „Da müssen wir gegensteuern. Wir sind nicht zufrieden.“Insgesamt erwirtschaftete das Unternehmen 2016 einen Umsatz von 3,249 Milliarden Euro. Das war ein Prozent weniger als im Vorjahr. Der Gewinn dagegen sank um 14 Prozent auf 234 Millionen Euro. Damit verschlechterte sich die Umsatzrendite um 0,9 Prozentpunkte von 8,1 Prozent auf nun 7,2 Prozent.
Dennoch habe sich RRPS in einem schrumpfenden Markt gut behauptet, erläuterte Schell. Während das Marktvolumen im Segment für sogenannte mit Gas oder Diesel betriebene OffHighway-Motoren 2016 weltweit um neun Prozent von 23,9 Milliarden Euro auf 21,7 Milliarden Euro zurückging, baute RRPS seinen Marktanteil aus. Im Jahr 2015 kamen noch 14 Prozent aller Motoren dieser Bauart von dem Friedrichshafener Unternehmen, im Jahr 2016 waren es schon 15 Prozent.
„Wir haben uns in einem rückläufigen Markt gut behauptet, langfristig muss die Gewinnmarge aber wieder zweistellig werden“, sagte Wassenberg. Und weil es sich abzeichne, dass es in der Weltwirtschaft schwieriger werde, müsse man sich eben verändern. Konkret bedeute das eine bessere Kundenorientierung mit dem Aufbau von Vertriebspersonal in vielen Märkten, kürzere Entscheidungswege und eine Digitalisierungsstrategie zur Optimierung des Service.
Mit Sorge blickt RRPS auf den drohenden Brexit. Zwar sei der britische Markt nicht der wichtigste für das Unternehmen, als Tochter eines englischen Konzerns sehe man aber Probleme, wenn sich die Standards zwischen Kontinentaleuropa und Großbritannien künftig unterscheiden. Für den US-Markt, in dem RRPS Umsätze im hohen dreistelligen Millionenbereich erwirtschaftet, sieht Schell sein Unternehmen trotz der Unsicherheiten wegen der Ankündigungen von US-Präsident Donald Trump gut aufgestellt. „Einfach durch die Tatsache, dass wir zwei Produktionsstandorte in den USA haben“, sagt Schell.
Wachstumsmarkt China
Das größte Wachstumspotenzial für RRPS sieht Schell aber mit Abstand in Asien – und dort in China. In der Volksrepublik, wo die Umsätze im Moment noch im unteren dreistelligen Millionenbereich liegen, produziert der Motorenbauer von Ende 2017 an auch den wichtigsten Motor des Unternehmens: die Aggregate der 4000er-Reihe. Das sind Diesel- oder Gasmotoren, die entweder Lokomotiven oder Schiffe antreiben oder Strom produzieren. Nächste Woche ist der RRPS-Chef in China – und schaut, ob alles läuft.