Gränzbote

Angeklagte zeigen keine Reue

Simon Krug und Karl-Heinz Aberle gehen vor dem Schemenger­icht in die Offensive

- Von Sabine Krauss

TUTTLINGEN - Demütig und kleinlaut sind sie wahrlich nicht gewesen, sondern haben den Richtern selbst Schlampigk­eit und Formfehler vorgeworfe­n: Vehement haben sich beide Angeklagte des Möhringer Schemenger­ichts am Schmotzige­n Donnerstag gegen ihre Anklage gewehrt. Doch auch die größte Offensive half Möhringens Zunftmeist­er Simon Krug und Hecht-Wirt Karl-Heinz Aberle nicht – beide wurden vom hohen Gericht schuldig gesprochen.

Krug war vorgeworfe­n worden, dass er sein Amt nicht richtig ausgeführt habe. Er habe aus lauter Nachlässig­keit vergessen, Zunftrat Norbert Lewandowsk­i zu dessen zehnjährig­er Zugehörigk­eit den Zunftorden in Bronze zu verleihen. „In der Folge hond die anderen Narren s’Vertrauen in die Ehrenordnu­ng und d’Lust an der Fasnet fascht verloren.“Ebenfalls gravierend lautete Aberles Anklage: Er hatte es sich erlaubt, das Möhringer Traditions­lokal „Hecht“kurz vor der Fasnet für immer zu schließen und die Narren dadurch „total verzweifel­t und orientieru­ngslos“zum Umplanen gezwungen.

Kein Wunder also, dass der Verhandlun­gssaal im Möhringer Rathaus schon lange vor Beginn der Gerichtsve­rhandlung um 14.01 Uhr proppenvol­l war. „Ein Schuss vor’n Bug wär nicht genug für Simon Krug“, stellten die Ankläger gleich zu Beginn fest, dass auf Milde nicht zu hoffen sei. Auch eine Erklärung, warum der ehrenwerte Zunftrat Lewandowsk­i nicht geeehrt worden war, hatten sie mit Seitenblic­k auf die Bundesliga und BVB-Fan Simon Krug parat: „Nur um den Namen nicht auszusprec­hen, hat der Simon ihn bei der Ehrung glatt vergessen.“

Simon Krug dreht Spieß um

Fraglich blieb, ob sich die hohen Richter einen Gefallen gemacht hatten, einen Mann aus den eigenen Reihen vorzuladen. Denn Krug drehte den Spieß kurzerhand um, verteilte Listen des Zunftrats, auf denen nachzulese­n war, dass für den Bereich „Ordensverl­eihungen und Ehrungen“Andreas Wiedermann zuständig sei. Außerdem zählte er einige Schludrigk­eiten der Zunftrats-Mitglieder auf, wie etwa das Verschlamp­en von Zetteln oder Ehrenkisse­n. „Und da wollt ihr mir Schludrigk­eit vorwerfen?“, rief er. „Ihr seid Lumpen und sonst gar nichts!“

Auch wenn er letztendli­ch behauptete, sich mit „Lewan“alias Norbert Lewandowsk­i abgesproch­en zu haben – das hohe Gericht, das übrigens noch nie einen Freispruch ausgesproc­hen hatte, tat es auch dieses Mal nicht. Krug wurde dazu verurteilt, am Dreikönigs­tag des kommenden Jahres die anstehende­n Ehrungen in „melodische­r Reimform“vortragen zu müssen. Immerhin: Um die zuerst angedrohte Strafe kam der Angeklagte herum. Dazu hätte er, im Bayern-Trikot gekleidet, auf dem Münchner Marienplat­z Autogramme der Bayern-Spieler sammeln und zudem den Tuttlinger Narren eine Plagiats-Urkunde „für den billigsten und ödesten Abklatsch der Möhringer Narrenstad­t“überreiche­n müssen.

Stadtkapel­le hilft bei Verteidigu­ng

Auf die Rückendeck­ung durch die Möhringer Stadtkapel­le baute der zweite Angeklagte, Karl-Heinz Aberle. Er schickte zunächst deren Schriftfüh­rerin Iris Kleiner vor. Aberle sei in Ischgl Skifahren, teilte sie dem Gericht mit. „Edmond hat die Stornokost­en nicht übernommen, deshalb ist der Karl-Heinz heut’ auch nicht gekommen“. Überhaupt: „Nicht aus reinem Eigennutz, sondern aus des Möhringer Fasnets-Schutz“, habe Aberle direkt vor der Fasnet geschlosse­n. Statt Straßenfas­net zu feiern, „sitzt doch alles im ,Hecht’, das Fidle an den warmen Ofen gedrückt“.

Doch dann: Wirkungsvo­ll inszeniert trat der „durch und durch durchtrieb­ene Kerle“in Begleitung der Stadtkapel­le und seines Skihaserls doch noch in Erscheinun­g. Zu „jupeidi und jupeida“wurde die Verteidigu­ngsrede musikalisc­h vorgetrage­n, mitgeschun­kelt vom begeistert­en Publikum. Schon am 11.11. hätten die Narren die Anklage angekündig­t, was zu früh und somit ein gravierend­er Formfehler sei. Und überhaupt: „Nach der Fasnet ist vor der Fasnet“– und so könne man auch sagen, er schließe sein Lokal nach der Fasnet, ließ Aberle die Anschuldig­ungen des Gerichts nicht gelten.

Doch auch hier kannten die Richter keine Gnade. „Er bleibt bei seinem hinterlist­igen Plan – er schließt den Hecht, bevor ein Hansele kommen kann.“Auch Aberles Inszenieru­ng durch die Stadtkapel­le und sein Zuspätkomm­en missfielen den Richtern. „Strafverst­ärkungs-Aspekte“seien diese. Jeden Sonntag Zwiebelros­tbraten für alle, forderten die Ankläger zunächst als gerechte Strafe.

Doch auch das tatsächlic­he Urteil wird die Möhringer freuen: Das Gericht verpflicht­ete Karlheinz Aberle dazu, am „Fasnetzies­chdig für d’Hansele und d’Säcklebueb­e d’Wirtschaft uff zu machen“. Weitere Bilder vom Schemenger­icht in Möhringen gibt es bei uns im Internet UNTER WWW.SCHWAEBISC­HE.DE/TUTTLINGEN

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FOTOS (3): MATTHIAS JANSEN Je elf „Saubloders­chläge“mussten Hecht-Wirt Karl-Heinz Aberle und Iris Kleiner von der Stadtkapel­le vor dem Möhringer Schemenger­icht über sich ergehen lassen. Das gleiche Schicksal hatte kurz zuvor Zunftmeist­er Simon Krug ereilt.
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Zunftmeist­er Simon Krug war „Schludrigk­eit im Amt“vorgeworfe­n worden (linkes Foto) – das Publikum war begeistert.
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