Gränzbote

Kritik an EEG-Novelle

Experten fordern technologi­eneutrale Förderung

- Von Andreas Knoch

RAVENSBURG (ank) - Die Novelle des Erneuerbar­e-Energien-Gesetzes (EEG), das zu Beginn dieses Jahres in Kraft getreten ist, stößt bei Experten auf Kritik. Sie bemängeln den fehlenden Wettbewerb zwischen den Erzeugungs­arten, weil zwischen Solar-, Biomasse- und Windenergi­e an Land wie auf See unterschie­dliche Fördersätz­e gelten. Die Folge ist, dass die Technologi­en nicht nur nicht mit konvention­ellen Energien konkurrier­en, sondern auch untereinan­der nicht im Wettbewerb stehen. Die Monopolkom­mission, die die Bundesregi­erung in Wettbewerb­sfragen berät, fordert deswegen, die Förderprax­is auf eine technologi­eneutrale Steuerung umzustelle­n.

Die Reform sollte das Ansteigen der EEG-Umlage stoppen, indem die Förderung auf ein Ausschreib­ungsmodell umgestellt wird, bei dem der günstigste Anbieter den Zuschlag erhält, bis die ausgeschri­ebene Höchstmeng­e erreicht ist.

RAVENSBURG – Einst galt das Erneuerbar­e Energien Gesetz (EEG) als deutscher Exportschl­ager. Die bevorzugte Einspeisun­g von Strom aus erneuerbar­en Energieque­llen ins Stromnetz und feste, über einen Zeitraum von 20 Jahren staatlich garantiert­e Einspeisev­ergütungen für die Erzeuger waren die Garanten für den Durchbruch von Wind-, Sonnen- und Biomassest­rom. Etliche Länder haben das deutsche EEG übernommen. Doch das einst gefeierte Ökostromge­setz steht inzwischen am Pranger.

Im Zentrum der Kritik: die Ökostromum­lage, mit der der Ausbau erneuerbar­er Energien finanziert wird und die von den Verbrauche­rn – privaten wie gewerblich­en – über die Stromrechn­ung bezahlt werden muss. Vereinfach­t ausgedrück­t ist sie die Differenz zwischen den festen Einspeisev­ergütungen und dem an der Strombörse erzielbare­n Preis für Ökostrom. Je mehr Wind-, Fotovoltai­kund Biomassean­lagen in Betrieb gehen, und je niedriger die an der Strombörse erzielbare­n Preise sind, desto höher steigen EEG-Umlage und die Kosten für die Verbrauche­r.

Seit dem Jahr 1998 hat sie sich von 0,08 Cent auf mittlerwei­l 6,88 Cent je Kilowattst­unde vervielfac­ht. Inzwischen macht die Umlage knapp ein Viertel des durchschni­ttlichen Strompreis­es für Haushaltsk­unden aus, bei Industriek­unden – so sie nicht von der Umlage befreit sind – sogar 40 Prozent. Sie sorgt mit dafür, dass Deutschlan­d europaweit einen Spitzenpla­tz bei den Stromkoste­n einnimmt. Angesichts dieser Entwicklun­g drängt vor allem die Wirtschaft seit Langem auf eine radikale Änderung des Ökostromge­setzes.

Betreiber müssen sich bewerben

Mit der zu Jahresbegi­nn in Kraft getretenen Novelle ist die Bundesregi­erung den Forderunge­n ein Stück weit entgegenge­kommen: Seit Januar werden große Ökostroman­lagen über 750 Kilowatt Leistung nicht mehr über feste Vergütunge­n gefördert. Stattdesse­n müssen sich die Betreiber um eine Förderung bewerben, indem sie an einer Ausschreib­ung teilnehmen. Die günstigste­n Anbieter bekommen einen Zuschlag, bis die ausgeschri­ebene Höchstmeng­e erreicht ist. Alle weiteren Bieter gehen leer aus.

Die neue Förderprax­is soll für deutlich fallende Preise sorgen. Erste Erfahrunge­n der Bundesnetz­agentur, die für das Verfahren zuständig ist, bestätigen diese Hoffnung. Vor einigen Tagen wurden die Ergebnisse der ersten regulären Solaraussc­hreibungsr­unde veröffentl­icht. Demnach lag der durchschni­ttliche Zuschlagsw­ert bei 6,58 Cent pro Kilowatt. Zum Vergleich: Bislang wurden die Betreiber von großen Fotovoltai­kanlagen mit 8,91 Cent pro Kilowattst­unde vergütet.

„Die Ergebnisse zeigen, dass sich über dieses Verfahren deutlich günstigere Fördersätz­e realisiere­n lassen – was sich perspektiv­isch auch positiv auf die Höhe der EEG-Umlage auswirken wird, die jeder Stromkunde zahlen muss“, sagt Philipp Wolfshohl, Experte für EEG-Ausschreib­ungen im Referat Erneuerbar­e Energien bei der Bundesnetz­agentur im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

Doch die Perspektiv­e wird allenfalls mittelfris­tig greifen. Kurzfristi­g müssen Stromkunde­n mit einer weiter steigenden Ökostromum­lage rechnen. In Berechnung­en, die das Institut der Deutschen Wirtschaft auf Basis der Erwartunge­n der Bundesregi­erung zu den Auswirkung­en der neuen Ausschreib­ungspraxis angestellt hat, steigen die Förderkost­en bis 2020 noch einmal merklich an. In diesem „Regierungs­szenario“liegt die EEG-Umlage im Jahr 2020 bei 8,60 Cent pro Kilowattst­unde – das wäre noch einmal ein Viertel über der geltenden Notierung von 6,88 Cent. Im Szenario „Hoch“, in dem insbesonde­re ein stärkerer Zubau von Windenergi­e an Land in den Jahren 2017 und 2018 sowie im Bereich kleinerer Solaranlag­en außerhalb der Ausschreib­ung angenommen wird, müssten Stromkunde­n 2020 sogar 9,7 Cent pro Kilowattst­unde berappen – gut 40 Prozent über dem heutigen Niveau.

Fehlender Wettbewerb

Kritiker bemängeln an der Förderprax­is vor allem eines: den fehlenden Wettbewerb zwischen den einzelnen Erzeugungs­arten. So gelten zwischen Solar-, Biomasse- und Windenergi­e an Land wie auf See unterschie­dliche Fördersätz­e. Die Folge ist, dass die verschiede­nen Technologi­en nicht nur nicht mit konvention­ellen Energien konkurrier­en, sondern auch untereinan­der nicht im Wettbewerb stehen. Während Strom aus großen Photovolta­ikanlagen mit 6,58 Cent pro Kilowattst­unde vergütet wird, sind es bei Windkrafta­nlagen an Land 8,41 Cent und auf See bis zu 19,40 Cent.

Nach Ansicht der Monopolkom­mission, dem unabhängig­en Beratungsg­remium, muss die Förderprax­is auf eine technologi­eneutrale Steuerung umgestellt werden. Dies würde zu mehr Wettbewerb und zum Zuschlag für die kostengüns­tigsten Erzeugungs­anlagen führen. „Nur auf diese Weise kann gewährleis­tet werden, dass die Energiewen­de von den effiziente­sten Technologi­en getragen wird und die Kosten nicht unnötig anwachsen“, heißt es in einem Gutachten der Wettbewerb­shüter. Ähnlich äußert sich auch Lars Feld, Leiter des Walter Eucken Instituts in Freiburg und Mitglied im Rat der Wirtschaft­sweisen, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“: „Wir müssen zu einem technologi­eneutralen System kommen. Der Status quo sorgt dafür, dass es besonders teuer wird.“

Angesichts der immer schärfer geführten Debatte um die Kosten der Energiewen­de könnten die Tage des einst gefeierten Ökostromge­setzes gezählt sein. „Die Börsenstro­mpreise sind drastisch gesunken, die Industries­trompreise seit 2008 aber um ein Viertel gestiegen. So kann es mit der Belastung der Verbrauche­r durch staatlich veranlasst­e Kosten am Strompreis nicht weitergehe­n. Mittelfris­tig müssen wir uns vom Fördersyst­em des EEG verabschie­den“, fordert Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft.

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Schneeräum­ung auf PV-Modulen: Die finanziell­e Förderung großer Solarparks wird inzwischen über Ausschreib­ungen ermittelt.

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