Müller fordert Soforthilfe
Entwicklungsminister regt Marshall-Plan für Afrika an
BERLIN (sz) - Einen Marshall-Plan für Afrika sowie eine Soforthilfe für den Osten des Kontinents fordert Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). „Die Hilfsorganisationen brauchen kurzfristig fünf Milliarden Dollar, um den Hungertod von Hunderttausenden in Ostafrika zu verhindern“, sagte der Minister im Interview mit der „Schwäbischen Zeitung“. Es sei beschämend, dass die Weltgemeinschaft jedes Jahr so dramatische Situationen zulasse.
„Die UN müssen befähigt werden, vorausschauend und präventiv zu handeln“, sagte Müller weiter. Dafür sei ein ständiger Krisenfonds im Volumen von zehn Milliarden Dollar notwendig. Zudem setzte sich der CSU-Politiker für einen MarshallPlan für Afrika ein, um auch für politische Stabilisierung zu sorgen. Laut UN sind allein in Äthiopien, Somalia, Nigeria, Kenia und Südsudan mehr als 21 Millionen Menschen vom Hungertod bedroht.
BERLIN - Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) fordert fünf Milliarden Dollar Soforthilfe für Hungernde in Ostafrika. Zudem erklärte er im Gespräch mit Tobias Schmidt, weshalb er sich für einen Marshallplan mit Afrika starkmacht. „Lösen wir die Probleme nicht gemeinsam vor Ort, kommen sie zu uns“, sagte Minister Müller.
Herr Müller, im Südsudan hungern Hunderttausende Menschen. Wie kann das im 21. Jahrhundert möglich sein?
Es ist ein Drama. Die Katastrophe war seit Langem absehbar. Zum einen wegen der Kämpfe, zu anderen wegen der Folgen des Wetterphänomens El Nino. Und trotzdem hat die Weltgemeinschaft nicht ausreichend reagiert. Wir müssen ein neues Krisenkonzept der EU und der Vereinten Nationen aufbauen. Es darf nicht sein, dass Tausende Menschen verhungern, bevor die Welt reagiert!
Was muss jetzt geschehen, um den Menschen dort zu helfen?
Die Hilfsorganisationen brauchen kurzfristig fünf Milliarden Dollar, um den Hungertod von Hunderttausenden in Ostafrika zu verhindern. Beschämend ist, dass wir jedes Jahr in solch dramatische Situationen kommen. Die UN müssen befähigt werden, vorausschauend und präventiv zu handeln. Dafür brauchen wir einen ständigen Krisenfonds im Volumen von zehn Milliarden Dollar, aus dem Sofortmaßnahmen finanziert werden können. Es ist inakzeptabel, dass der UN-Generalsekretär, Unicef und das Welternährungsprogramm keine ausreichende Grundfinanzierung haben und bei Hungerkatastrophen immer mit dem Klingelbeutel um Unterstützung betteln müssen.
Auch in anderen Teilen Afrikas, in Somalia, Nigeria und dem Jemen leiden Millionen Menschen unter Mangelernährung. Müssen wir uns auf eine neue Flüchtlingswelle einrichten?
Diese Tragödie spielt sich zunächst einmal innerhalb der afrikanischen Staaten ab. Die Menschen aus dem Südsudan flüchten in den Tschad, in den Sudan und nach Uganda. Die ärmsten Staaten nehmen Millionen Menschen auf, 90 Prozent der Flüchtlinge der Welt halten sich in Entwicklungsländern auf, sie brauchen unsere Unterstützung. Entwicklungspolitik ist die beste Friedenspolitik.
Sie kämpfen für einen neuen Marshallplan für Afrika, um auch für politische Stabilisierung zu sorgen. Reicht die Unterstützung in der Bundesregierung und von den EUPartnern aus?
Die Bundeskanzlerin hat das Thema auf die Agenda der G20-Präsidentschaft gesetzt. Im Übrigen habe ich ein Konzept für einen Marshallplan mit Afrika vorgelegt. Wir brauchen eine neue Dimension der ZusamWir menarbeit für Entwicklung und Frieden. Lösen wir die Probleme nicht gemeinsam vor Ort, kommen sie zu uns.
Aber auch die Bundesregierung erfüllt das Ziel von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprojektes für Entwicklungsausgaben in diesem Jahr vermutlich nicht und will mehr Geld in die Rüstung stecken. Ist das nicht die falsche Weichenstellung?
dürfen nicht einseitig die Verteidigungsausgaben erhöhen, sondern müssen auch weiter mehr in Entwicklung investieren. Wir brauchen einen neuen, umfassenden Sicherheitsbegriff: Prävention hat immer Vorrang vor Intervention. Wenn wir die wirtschaftliche Entwicklung fördern, der Jugend in den Entwicklungsländern eine Perspektive geben, Kriege verhindern, dann müssen wir weniger Geld für Verteidigung ausgeben. Entwicklung und Sicherheit sind untrennbar
miteinander verbunden.
Bundeskanzlerin Merkel reist am Donnerstag nach Ägypten. Welche Botschaft sollte sie in Kairo übermitteln?
Die nordafrikanischen Staaten sind unsere politischen und wirtschaftlichen Partner. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit muss deutlich ausgebaut werden. Die Perspektive für Nordafrika muss sein, dass sie sich ähnlich gut entwickeln können wie die osteuropäischen Staaten nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Wir müssen ihnen faire Handelsbeziehungen anbieten und sie in den europäischen Wirtschaftsraum integrieren.
Nach der Union will nun auch SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann Flüchtlinge aus dem Mittelmeer direkt nach Nordafrika zurückbringen, dort Auffanglager für sie einrichten. Wie beurteilen Sie diese Pläne, die auch auf EU-Ebene beraten werden?
Für die Einrichtung von Auffanglagern in Nordafrika sehe ich keine Realisierungschance. Vorrang sollte die Stärkung der Migrationspartnerschaften mit diesen Ländern haben, damit sich die Flüchtlinge gar nicht erst auf den Weg machen müssen. Um den Schleppern das Handwerk zu legen, ist es überdies auch wichtig, dass wir Wege legaler Migration aus Afrika nach Europa aufzeigen.
Gegen die Abschiebungen nach Afghanistan gibt es Widerstand. Schleswig-Holstein macht bei den Sammelabschiebungen nicht mit, weil die Sicherheitslage prekär sei. Sie kennen Afghanistan gut. Haben Sie Verständnis für die Position Schleswig-Holsteins?
Der Bund und die 16 Länder sollten zu einer einheitlich abgestimmten Bewertung kommen. Im Übrigen wird jeder Einzelfall von den Gerichten geprüft. Mein Akzent liegt aber auf freiwilliger Rückkehr und dem Aufbau von Integrations- und Beschäftigungsangeboten vor Ort.