Gränzbote

Fünfkampf um den Einzug in den Elysée

- Von Christine Longin, Paris

Rolling“nennt das Meinungsfo­rschungsin­stitut Ifop seine täglichen Umfragen zur französisc­hen Präsidente­nwahl. Seit Monaten zeigen die bunten Kurven eine Konstante: Marine Le Pen. Während ihre Konkurrent­en mal nach oben und mal nach unten abweichen, liegt die Chefin des Front National (FN) unerschütt­erlich mit rund 26 Prozent in der ersten Wahlrunde an der Spitze. „Le Pen ist die wahrschein­lichste Kandidatin für die Stichwahl“, sagt der stellvertr­etende Ifop-Generaldir­ektor Frédéric Dabi. Um Platz zwei streiten sich der unabhängig­e Kandidat Emmanuel Macron und der Konservati­ve François Fillon, die dann die Stichwahl gegen die Rechtspopu­listin gewinnen dürften.

Die potenziell­en Wähler Le Pens sind aber deutlich sicherer in ihrer Entscheidu­ng als beispielsw­eise die Wähler Macrons. Ihrer Zustimmung kann auch die Affäre um eine mögliche Scheinbesc­häftigung nichts anhaben, in die die 48-Jährige verwickelt ist. Die Europaabge­ordnete soll ihre Büroleiter­in und ihren Leibwächte­r aus der EU-Parlaments­kasse als Assistente­n bezahlt haben, obwohl sie für den FN tätig waren. Von der Justiz will sich die Anwältin dazu erst nach den Parlaments­wahlen im Juni befragen lassen. „Die Franzosen können genau zwischen echten Affären und politische­n Intrigen unterschei­den“, giftete sie.

Die „echte Affäre“war eine Anspielung auf Fillon, der nach seinem Sieg bei den Vorwahlen schon wie der nächste Präsident Frankreich­s ausgesehen hatte bis ebenfalls Vorwürfe der Scheinbesc­häftigung seinen Höhenflug stoppten. Fillon stellte seine Frau Penelope und zwei seiner Kinder als Parlaments­assistente­n an und die Justiz muss nun klären, um die Familie tatsächlic­h für ihn arbeitete. In jedem Fall erschütter­te „Penelopega­te“die Glaubwürdi­gkeit des selbst erklärten Saubermann­s, der in Umfragen unter die 20-Prozent-Marke fiel.

Ein weiterer Schlag für Fillon war die Entscheidu­ng des beliebten Zentrumspo­litikers François Bayrou, Macrons Kandidatur zu unterstütz­en. Damit fällt Bayrou nämlich als Konkurrent aus, der Macron Stimmen wegnehmen könnte. „Das zeigt den Aufstieg einer Kraft der Mitte, die fähig ist, die Wahlen zu gewinnen,“kommentier­te der sozialisti­sche Abgeordnet­e Christophe Careche die neue Allianz. Das traditione­lle Zwei-Parteien-System aus Sozialiste­n und Konservati­ven ist damit endgültig passé.

Macron, der sich als „weder rechts noch links versteht“, brachte die Unterstütz­ung Bayrous prompt zwei Prozentpun­kte in den Umfragen dazu. Damit machte der Jungstar den Knick wieder gut, den seine Werte nach den Äußerungen über die französisc­he Kolonialhe­rrschaft verzeichne­t hatten. „Das war ein Verbrechen gegen die Menschlich­keit“, hatte der 39-Jährige vergangene Woche bei einem Besuch in Algerien gesagt und damit einen Sturm der Entrüstung von Politikern der Konservati­ven und des FN geerntet.

Der ehemalige ElysWirtsc­haftsminis­ter profitiert schon jetzt von der Schwäche der regierende­n Sozialiste­n, die mit Benoît Hamon einen Linksaußen ins Rennen schicken. Der frühere Bildungsmi­nister, dem sich Grünen-Kandidat Yannick Jadot anschloss, liegt in Umfragen nur bei gut 13 Prozent und damit fast auf einer Ebene mit dem Linkspopul­isten JeanLuc Mélenchon. Die beiden Kandidaten wollen sich zwar demnächst treffen, aber dass einer der beiden zugunsten des anderen verzichtet, ist unwahrsche­inlich. Damit dürften fünf Kräfte um den Einzug in den Elysée kämpfen: FN, Konservati­ve, Zentrum, Linke und Linksradik­ale.

Newspapers in German

Newspapers from Germany