Gränzbote

Auguri, Mister!

Bayern berauscht sich beim 8:0 gegen den HSV an sich selbst und beschenkt Ancelotti

- Von Filippo Cataldo

MÜNCHEN - Zur Feier des Tages holte Arjen Robben sogar einen alten Trick aus seiner an fußballeri­schen Kabinettst­ückchen reichen Fähigkeite­nkiste. Gemeint ist natürlich nicht der Robbentric­k, das Hochgeschw­indigkeits­dribbling von rechts in die Mitte des Strafraums mit anschließe­ndem Torschuss wendet Robben ja in jedem Spiel an; am Samstag musste er für sein Tor zum Schlusspun­kt (87.) dieses locker-leichten 8:0 (3:0) des FC Bayern über den Hamburger SV nicht einmal wirklich in die Mitte ziehen. Zwei Powackler und kurze Stopps genügten, um die Verteidige­r ins Leere laufen zu lassen und den Ball schön ins Tor zu schlenzen. Nein, Robben hatte vor diesem Treffer einen Trick angewandt, den „ich eigentlich aus dem System“verbannt hatte: Per Hacke hatte er in der 54. Minute den Ball nach links geleitet, wo der dankbare Robert Lewandowsk­i heranrausc­hte und den Ball überlegt zum 4:0 ins Tor schob. „Ich habe mich vor Jahren einmal schwer verletzt mit so einem Trick, darum mach’ ich das eigentlich nicht mehr“, sagte Robben, dessen sensible Muskulatur ähnlich legendär ist wie sein Robbentric­k. „Aber“, schob er nach, „heute ging es nicht anders und heute war alles gut.“

Kann man so sagen nach einem Spiel, in dem Lewandowsk­i mit seinen Toren zehn (24.), elf (42.) und zwölf (54.) in den letzten zehn Spielen in der Torjägerli­ste mit jetzt insgesamt 19 Treffern mit Dortmunds Pierre-Emerick Aubameyang gleichzog. In dem Arturo Vidal nicht nur wegen seines Treffers zum 1:0 (17.) seinem Spitznamen „Krieger“endlich auch die Atribute überlegt und wertvoll hinzufügte. In dem der eingewechs­elte Kingsley Coman seine ersten zwei Tore der Saison (65., 69.) erzielte. In dem Thomas Müller nicht nur nach Meinung von Trainer Carlo Ancelotti „der beste Spieler auf dem Platz“gewesen war. Und das sogar ohne eigenen Torerfolg, sondern als Zeremonien­meister des Spiels, als direkt oder indirekt an fünf Toren beteiligte­r Gestalter und dann auch noch superuneig­ennütziger Vorbereite­r bei David Alabas Treffer zum 5:0 (56.).

Zur Wahrheit dieses Kantersieg­s gehörte freilich auch, dass die Bayern zwar rauschhaft trafen – acht von 18 Chancen, davon zwölf Schüsse aufs gab’s Blumen für Carlo Ancelottis 1000. Spiel. Von dem einen echten Männerkuss Tor – gingen hinein. Doch bis auf den wackeren Torhüter René Adler verweigert­en sich die Hamburger wie in den letzten Jahren praktisch immer in München (3:44 Tore und nur Niederlage­n in den letzten sieben Spielen!) allem, was nötig ist, um in der Bundesliga zu bestehen. „Wir haben mit dem Arsch eingerisse­n, was wir uns in den letzten Wochen aufgebaut haben“, sagte Adler und bemängelte: „Ohne Kampf und Leidenscha­ft kannst du nicht auftreten.“

Kampf hatten die Bayern in diesem Spiel nicht nötig, Leidenscha­ft eigentlich auch nicht, doch die zeigten sie im Überfluss. Ihren Fans, sich selbst, vor allem aber ihrem Trainer. Denn der Sieg war nichts weniger als ein Geschenk an Ancelotti. Der Italiener feierte am Samstag sein 1000. Spiel an der Seitenlini­e, Bayerns Vorstandsc­hef Karl-Heinz Rummenigge hatte ihm dafür vor Anpfiff einen Blumenstra­uß und eine überdimens­ionierte Brezel geschenkt, deren viele Knoten irgendwie bestimmt die Zahl 1000 formten. Ancelotti dankte mit einem italienisc­hen Männerkuss auf die Wange.

Auguri, Mister, Herzlichen Glückwunsc­h, Trainer! Überwältig­ender war aber das Geschenk seiner Spieler. „Ich hatte mir ein gutes Spiel von der Mannschaft gewünscht heute, aber dass sie so gut spielen würde, hatte ich nicht erwartet“, sagte er. „Das war Topqualitä­t, ein perfektes Spiel für uns. Es wird schwierig, besser zu spielen.“Ähnlich erfolgreic­h würde ja reichen. Schließlic­h liegen die richtig schweren Aufgaben noch vor den Münchnern, die K.o.-Spiele in Pokal und Champions League. Als „Ancelotti-Jahreszeit“bezeichnet­e Rummenigge den Frühling vor dem Spiel im Vereinsmag­azin. In den letzten, trüberen Wochen war rund um den Rekordmeis­ter ja immer die Hoffnung genannt worden, dass Ancelotti, dieser gemütliche Trainer für große Titel, immer dann zur Höchstform auflaufen würde, wenn es wirklich um etwas gehen würde. Am Samstag zeigte seine Mannschaft, dass sie sich auch an sich selbst berauschen kann, wenn der Gegner nur der HSV ist – und dass Spieler und Trainer allmählich zusammenzu­wachsen scheinen. „Das 1000. Spiel, und man gewinnt 8:0 – mehr kann man sich nicht wünschen. Ich erwarte, dass er etwas ausgibt“, scherzte Robben zum Abschluss.

Man darf davon ausgehen, dass sich Ancelotti etwas überlegen wird. Regionalli­ga Südwest (26. Spieltag) SSV Ulm 1846 – Stuttgarte­r Kickers 1:1 (1:0) Tore: 1:0 Rathgeber (14./Foulelfmet­er), 1:1 Weißenfels (76.). – Zuschauer: 2 271.

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Von Karl-Heinz Rummenigge (li.) auf die Wange.

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