Bundesregierung will freies Netz für alle ohne Passwörter
Gesetzesentwurf soll Haftungsrisiko von WLAN-Betreibern ausschließen
BERLIN - Die Bundesregierung will Schluss machen mit der WLANWüste Deutschland, startet eine Offensive für Netze ohne Passwörter für die Nutzer und ohne Abmahnrisiko für die Anbieter. „Freies WLAN muss zum Standard werden. Das geht nur, wenn das Haftungs- und Kostenrisiko für WLAN-Betreiber ausgeschlossen wird“, begrüßte Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, gestern im Gespräch mit unserer Berliner Redaktion den Gesetzentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums.
Noch in dieser Legislaturperiode müsse der Entwurf unter Dach und Fach gebracht werden. Mit Hochdruck soll das erst im vergangenen Sommer verabschiedete Telemediengesetz korrigiert, Gesetzeslücken geschlossen werden. „Auf dem Weg in eine digitale Gesellschaft benötigen wir eine hohe Verfügbarkeit von offenen WLAN-Hotspots“, und dabei hinke Deutschland im weltweiten Vergleich noch hinterher, begründete eine Sprecherin von Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD) den neuen Anlauf.
Hotels, Gaststätten und Café-Betreiber scheuten nämlich bislang davor zurück, ihren Kunden freies WLAN anzubieten. Selbst in großen Innenstädten herrschte deswegen Internet-Ebbe. Der Grund: Mangelnde Rechtssicherheit wegen der sogenannten Störerhaftung. Wenn WLAN-Nutzer über die offenen Verbindungen etwa illegal Musik oder Filme herunterladen, wurden die Netzanbieter immer wieder mit dreibis viertstelligen Summen abgemahnt, sollten für die Urheberrechtsverstöße büßen. Nun wird es zwar für Rechteinhaber schwieriger, gegen Urheberrechtsverletzungen vorzugehen. Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums wird dies aber auch seltener notwendig, weil Bezahldienste wie Spotify oder Apple Music illegale Download-Seiten zurückdrängen würden.
Keine Abmahnkosten mehr
Freie Fahrt für WLAN: Anbieter sollen dem Zypries-Entwurf zufolge bald weder Abmahnkosten noch Gerichtsprozesse zahlen müssen. Sie sollen nicht verpflichtet werden, ihre Netze zu verschlüsseln oder die Nutzer zu identifizieren. Damit geht das Ministerium über ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes hinaus. Dieser hatte einen WLAN-Betreiber von Schadensersatzkosten für einen illegal heruntergeladenen Song befreit, aber klargestellt, dass eine Sicherung des Hotspots durch ein Passwort verlangt werden könne.
Große Zufriedenheit beim Hotelverband: „Die Hotellerie hofft, dass dieser Gesetzentwurf vom Bundestag nun zügig verabschiedet wird, damit wir unseren Gästen unser WLAN rechtssicher öffnen können, ohne von der Abmahnindustrie behelligt zu werden“, erklärte der Vorsitzende des Hotelverbandes Deutschland (IHA), Otto Lindner. Rechteinhaber erhalten dem Entwurf zufolge den Anspruch, dass der Zugang zu Inhalten, an denen sie die Rechte halten, gesperrt wird. Das sei ein „praktikabler Kompromiss“, sagte Lindner weiter.
Lob kommt auch vom Wirtschaftsrat der CDU: Ein flächendeckender Zugang zu digitalen Infrastrukturen – auch im öffentlichen Raum – sei eine elementare Grundlage digitaler Anwendungen, so Generalsekretär Wolfgang Steiger. Es sei höchste Zeit für die Verbreitung von WLAN-Hotspots.
Noch ist es nicht so weit: Der Entwurf ist jetzt in der Ressortabstimmung, noch fehlt das Grüne Licht aller Ministerien. Dabei hatte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) schon im vergangenen Jahr an ihre Kabinettsmitglieder appelliert, beim WLAN endlich Tempo zu machen.