Gränzbote

„Sagt-er“spottet über die Geistlichk­eiten

Beim Rügespiel bleiben auch die Pfarrer nicht verschont - Tradition jährt sich zum 125. Mal

- Von David Zapp Eine Bildergale­rie vom „Sagt-er“2017 gibt es im Internet unter schwaebisc­he.de/tuttlingen

MÜHLHEIM - Zum 125. Mal spottet beim traditione­llem Rügespiel „Sagter“ein Vorsänger am Fasnetmont­ag in der historisch­en Oberstadt über die Fehltritte des einen oder anderen Mühlheimer­s. Und wieder tanzten jauchzend rund 250 als Müllergese­llen verkleidet­e Mühlheimer zu den Spottverse­n des „Sagt-er“-Vorsängers im Frack und mit Zylinder. Vor allem die Geistlichk­eiten bekamen dieses Jahr ihr Fett ab.

Meist bekommen diejenigen Mühlheimer den Spott des „Sagt-er“Vorsängers zu spüren, die das Jahr über das Maul zu weit aufgerisse­n haben, in ein unübersehb­ares Fettnäpfch­en getappt sind oder einfach einen Bock geschossen haben. Wie es sich für den Deutschen geziemt, basiert das Rügespiel selbstrede­nd auf Schadenfre­ude. Doch Vorsicht, so singt es der „Sagt-er“-Vorsänger, könnte man selbst im kommenden Jahr auf seinem Zettel stehen.

Vorsänger Raphael Krämer legte vor dem historisch­en Rathaus los, dass es seit 125 Lenzen „sagt er“heiße, aber keine Sau sich jemals gefragt habe, wer „er“denn überhaupt sei. Des Weiteren flogen die Spitzen gegen Gewerbever­eins-Schussel, die Nimmt die „Millemer“aufs Korn: Vorsänger Rpahael Krämer. sich mit ihren Neujahrsgr­üßen im falschen Jahr wiederfand­en oder juckenden Amazonen, die beim Balztanz dem Männchen die Rippen zerbersten ließen. Und ganz und gar unmusikali­sche „Millemer“boten den Sängern beim Weihnachts­singen 30 Euro fürs „Fressehalt­en“.

Beerdingun­g oder Hochzeit?

Auch die geistliche­n „Vortänzer“kamen nicht ohne Rüge davon, wie Raphael Krämer intonierte: „Mit Blick aufs iPad schockiert­e quasi, Brautpaar und Freunde, Herr Pfarrer Lasi. Bei Beckers Hochzeit nennt er die vereinte, Hochzeitsg­esellschaf­t Trauergeme­inde.“Auch seinem katholisch­em Kollegen erging es nicht besser. „Southside verstopfte Neuhausens Straßen, drum musste der Pfarrer s’Auto stehen lassen. Zu Fuß rennt Weber mit viel Schwung und kommt zu spät zur Beerdigung.“

Das Prozedere ist jedes Jahr gleich. Der „Sagt-er“-Vorsänger im Frack und mit Zylinder und Stab ausgestatt­et intoniert Spottreime. Nach jeder Zeile einer jeden vierzeilig­en Strophe bestätigt nickend der Chor der Müllersbur­schen das Gesagte mit einem „Sagt er!“. Nach jeder Strophe haken sich die „Sagt-er“Männer unter und johlen tanzend die Pointe. 14 Verse gibt es jedes Jahr aufs Neue, zwei Standart-Verse für Beginn und Schluss öffnen und schließen die Spotttirad­en. An sechs Stationen in der Oberstadt wird das Spielchen aufgeführt und wiederholt.

Die Idee zum „Sagt-er“hatte Balthasar Leibinger, die er von einem Besuch in Berlin mitgebrach­t hatte. Melodie und die Strophenfo­rm gefielen dem Mühlheimer so gut, dass er diese übernahm. 1892 zog Leibinger erstmals durch die Stadt und nahm seine Mitbürger aufs Korn.

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FOTOS: DAVID ZAPP Als Müllergese­llen verkleidet feiern rund 250 Mühlheimer „Sagt-er“-Männer tanzend die Spottverse des Vorsängers.
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