„Sagt-er“spottet über die Geistlichkeiten
Beim Rügespiel bleiben auch die Pfarrer nicht verschont - Tradition jährt sich zum 125. Mal
MÜHLHEIM - Zum 125. Mal spottet beim traditionellem Rügespiel „Sagter“ein Vorsänger am Fasnetmontag in der historischen Oberstadt über die Fehltritte des einen oder anderen Mühlheimers. Und wieder tanzten jauchzend rund 250 als Müllergesellen verkleidete Mühlheimer zu den Spottversen des „Sagt-er“-Vorsängers im Frack und mit Zylinder. Vor allem die Geistlichkeiten bekamen dieses Jahr ihr Fett ab.
Meist bekommen diejenigen Mühlheimer den Spott des „Sagt-er“Vorsängers zu spüren, die das Jahr über das Maul zu weit aufgerissen haben, in ein unübersehbares Fettnäpfchen getappt sind oder einfach einen Bock geschossen haben. Wie es sich für den Deutschen geziemt, basiert das Rügespiel selbstredend auf Schadenfreude. Doch Vorsicht, so singt es der „Sagt-er“-Vorsänger, könnte man selbst im kommenden Jahr auf seinem Zettel stehen.
Vorsänger Raphael Krämer legte vor dem historischen Rathaus los, dass es seit 125 Lenzen „sagt er“heiße, aber keine Sau sich jemals gefragt habe, wer „er“denn überhaupt sei. Des Weiteren flogen die Spitzen gegen Gewerbevereins-Schussel, die Nimmt die „Millemer“aufs Korn: Vorsänger Rpahael Krämer. sich mit ihren Neujahrsgrüßen im falschen Jahr wiederfanden oder juckenden Amazonen, die beim Balztanz dem Männchen die Rippen zerbersten ließen. Und ganz und gar unmusikalische „Millemer“boten den Sängern beim Weihnachtssingen 30 Euro fürs „Fressehalten“.
Beerdingung oder Hochzeit?
Auch die geistlichen „Vortänzer“kamen nicht ohne Rüge davon, wie Raphael Krämer intonierte: „Mit Blick aufs iPad schockierte quasi, Brautpaar und Freunde, Herr Pfarrer Lasi. Bei Beckers Hochzeit nennt er die vereinte, Hochzeitsgesellschaft Trauergemeinde.“Auch seinem katholischem Kollegen erging es nicht besser. „Southside verstopfte Neuhausens Straßen, drum musste der Pfarrer s’Auto stehen lassen. Zu Fuß rennt Weber mit viel Schwung und kommt zu spät zur Beerdigung.“
Das Prozedere ist jedes Jahr gleich. Der „Sagt-er“-Vorsänger im Frack und mit Zylinder und Stab ausgestattet intoniert Spottreime. Nach jeder Zeile einer jeden vierzeiligen Strophe bestätigt nickend der Chor der Müllersburschen das Gesagte mit einem „Sagt er!“. Nach jeder Strophe haken sich die „Sagt-er“Männer unter und johlen tanzend die Pointe. 14 Verse gibt es jedes Jahr aufs Neue, zwei Standart-Verse für Beginn und Schluss öffnen und schließen die Spotttiraden. An sechs Stationen in der Oberstadt wird das Spielchen aufgeführt und wiederholt.
Die Idee zum „Sagt-er“hatte Balthasar Leibinger, die er von einem Besuch in Berlin mitgebracht hatte. Melodie und die Strophenform gefielen dem Mühlheimer so gut, dass er diese übernahm. 1892 zog Leibinger erstmals durch die Stadt und nahm seine Mitbürger aufs Korn.