„Sie haben blitzschnell gelernt“
Simone Weidner zur Hausaufgabenbetreuung für Flüchtlingskinder – Mitstreiter gesucht
SPAICHINGEN (abra) - Ohne großes Aufsehen arbeiten die ehrenamtlichen Helferkreise für Flüchtlinge kontinuierlich weiter. Die Grundschüler bekommen intensive Hausaufgabenbetreuung zusammen mit anderen Kindern an der Schillerschule. Die älteren, die in die Hauptoder die Berufsschule gehen, werden von einem Team von Betreuern unterstützt. Regina Braungart hat Simone Weidner dazu befragt.
Wie viele Kinder und Jugendliche betreuen Sie?
Wir haben 14 Jugendliche, die nicht in die Grundschule gehen. Manche sind nicht eingeschult, sondern gehen in die Deutschklassen.
Wie erleben Sie die Integration der Kinder und Jugendlichen in die Schulen?
Anfänglich sind sie total überfordert, weil sie nichts verstehen. Aber man kümmert sich intensiv um sie, da muss ich der Schillerschule ein großes Lob aussprechen. Schon nach vier bis acht Wochen sind die Kinder dabei. In Fächern mit einem speziellen Wortschatz wie Biologie ist es natürlich schwieriger. Es ist ihnen ganz wichtig, dass sie ihre Hausaufgaben haben. Wenn sie es mal nicht schaffen, brechen sie fast in Panik aus. Sie sind sehr motiviert und sehr zielgerichtet beim Lernen.
Und wie läuft die soziale und kulturelle Integration in die Klassen?
Schwierig ist es für die Mädchen, denn sie sind sehr schüchtern. Wenn sie dann unflätige, auch sexualisierte Begriffe hören, ist das ganz schlimm für sie. Mit der Zeit wird es aber etwas besser. Es gibt eigentlich keine Probleme, denn viele haben selber Migrationshintergrund.
Welches sind schulisch die größten Herausforderungen?
Dass die ganzen afghanischen Kinder kein Englisch können. Wir haben deshalb eine Englisch-Gruppe eingerichtet. Für die syrischen Kinder ist das kein Problem.
Sind die Kinder in ihren Heimatländern überhaupt in der Schule gewesen?
Die Kinder waren in der Schule, kannten aber zum Teil keine lateinischen Buchstaben. Aber sie haben das blitzschnell gelernt.
Nun sind die Schulsysteme aus den beiden Kulturkreisen sehr unterschiedlich. In orientalischen Ländern lernen Kinder viel auswendig, stehen auf, wenn der Lehrer reinkommt, antworten im Chor und anderes. Ist es schwierig für die Kinder, sich auf unser System einzustellen?
Es stimmt, die Schüler haben große Achtung vor ihren Lehrern. Die Schüler, die ich betreue, sind sehr zuverlässig und freundlich und keiner ist frech. Und wenn ich bestimmt sage, jetzt ist Ruhe, dann ist Ruhe. Aber Lehrer haben mir auch gesagt, dass gerade Jungs aus Afghanistan, die mit 14 ja praktisch als erwachsen gelten, sich manchmal etwas aufplustern. Das kann ich aber nicht sagen, meine Kinder sind sehr liebenswürdig und im Gegenteil entsetzt, wenn sie erleben, dass in der Klasse jemand frech zu einem Lehrer war.
Und sprachlich? Es ist ja schon schwierig, sich als Muttersprachler exakt auszudrücken?
Ja, wir hatten jüngst eine Diskussion darüber, wie man einer Frau sagen kann, dass man sie hübsch findet. Da hatten sogar deutschsprachige Männer und Frauen unterschiedliche Meinungen. Die Männer fanden „Du bist schön“in Ordnung, während die Frauen das zu plump fanden. Ein älterer türkischer Herr, der dabei saß, sagte, er finde, man solle sagen: „Du hast schöne Augen oder du hast schöne Hände.“Oder dass „Ich liebe dich“etwas ganz Intimes ist. Denn die Jugendlichen sagen oft zu mir „ich liebe dich“und meinen aber „ich finde dich nett“. Generell sind alle sehr bemüht, nicht in ein Fettnäpfchen zu treten.
Wie können die Kinder in den beengten Verhältnissen des Wohnheims lernen?
Ja, sie machen ihre Hausaufgaben durchaus zuhause und selbstständig und nehmen Hilfe gern in Anspruch, wenn sie nicht weiter kommen. Wenn ich sie manchmal besuche, sehe ich, dass sie zum Teil auf dem Boden lernen und drumrum ist die ganze Familie. Das ist schon beeindruckend.
Erzählen die Kinder von ihren Kriegs- und Fluchterlebnissen?
Manchmal erzählen sie etwas, aber sie sind eher zukunftsorientiert. Alle haben schreckliche Sachen erlebt.
Sind sie unerschrocken?
Es ist besser, als am Anfang, da haben sie sich kaum allein hinaus getraut, vor allem die Mädchen nicht. Als ich nach dem Grund fragte, sagten sie, sie hätten Angst vor Kinderklau. Inzwischen ist es aber viel besser. Die Kinder sind sehr anpassungsfähig.
Wie läuft Ihre Hausaufgabenhilfe ab?
Wir haben fünf Gruppen gebildet. Wir suchen dringend noch zwei Lehrer für Montag von 14 bis 16 Uhr und Donnerstag 14 bis 16 Uhr. Wir haben immer zwei Lehrer pro Gruppe, dass auch mal einer fehlen kann, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben.
Was sollte ein Hausaufgabenhelfer oder eine -helferin mitbringen?
Aktuell haben wir einen ehemaligen Lehrer im Team, Eltern mit eigenen Kindern, eine Auszubildende und sogar zwei Schülerinnen.