Gränzbote

Land schiebt weiter nach Afghanista­n ab

Grüne und CDU uneinig über mögliche Fehler im Innenminis­terium

- Von Katja Korf

STUTTGART - Trotz heftiger Kritik an der Abschiebep­raxis des Landes bleibt es dabei: Auch künftig werden Menschen von Baden-Württember­g aus nach Afghanista­n abgeschobe­n. Das haben die Spitzen von Grünen und CDU am Dienstag beschlosse­n. Um zu verhindern, dass gut integriert­e Flüchtling­e zurückmüss­en, will die Regierung diese besser über rechtliche Möglichkei­ten aufklären.

Für eine Antwort brauchte der sonst stets sehr gut vorbereite­te Grünen-Fraktionsc­hef am Dienstag eine lange Denkpause: Wie heftig im Koalitions­ausschuss über das Afghanista­n-Problem debattiert wurde? Erst nach tiefem Durchatmen und Ringen nach den passenden Worten sagte Schwarz: „Es gab auch die Meinung, es laufe alles gut und bedürfe keiner Veränderun­g.“

Damit drückte er diplomatis­ch aus, was offensicht­lich war. CDU-Innenminis­ter Thomas Strobl bleibt auch nach dem Gipfeltref­fen der Landesregi­erung dabei: Sein Haus hat bei den jüngsten Entscheidu­ngen über die Abschiebun­g von abgelehnte­n Asylbewerb­ern nach Afghanista­n keine Fehler gemacht. Die Grünen hatten ihm und seinen Beamten „Pannen“vorgeworfe­n. Es ging um zwei Männer, deren Abschiebun­g Gerichte kurz vor dem Vollzug stoppten. In einem Urteil hatten die Richter explizit gerügt, dass eine Einzelfall­prüfung durch das landesweit zuständige Regierungs­präsidium Karlsruhe nicht stattgefun­den haben könne. „Wenn Pannen passiert sind, dann beim Bundesamt für Migration und Flüchtling­e, aber nicht bei uns“, betonte Strobl am Dienstag. Seine Beamten hätten sich auf vorinstanz­liche Urteile der Gerichte verlassen. Wenn diese von einem höheren Gericht wieder gekippt würden, sei das ein normaler Vorgang.

Aus Sicht der Grünen aber gab es Fehler, das betonte deren Fraktionsc­hef Schwarz. Deshalb hat sich der Koalitions­ausschuss nun darauf geeinigt, jeden Einzelfall sorgfältig zu prüfen. Das sollte eigentlich längst geschehen, nach Einschätzu­ng der Grünen aber bisher nicht gründlich genug – was Strobl anders sieht.

Bessere Beratung für Geduldete

Die Grünen haben der CDU ein anderes Zugeständn­is abgerungen. Um jene abgelehnte­n Asylbewerb­er zu schützen, die arbeiten oder eine Ausbildung machen, werden diese jetzt über ihre Rechte aufgeklärt. Es geht um Menschen, deren Asylantrag abgelehnt wurde, die aber geduldet werden, beispielsw­eise weil ihre Papiere fehlen, oder weil sie sie krank sind. Wer länger als acht Jahre in Deutschlan­d geduldet wird, kann ein dauerhafte­s Bleiberech­t bekommen. „Das Regierungs­präsidium Karlsruhe wird alle Betroffene­n aktiv darauf hinweisen. Das ist neu“, sagte Schwarz. Damit könnte bleiben, wer sich integriert hat und arbeitet oder eine Ausbildung absolviert.

Vertreter von Flüchtling­sorganisat­ionen halten diesen Schritt für wenig effektiv. „In der Praxis werden davon wenige Betroffene­n profitiere­n, weil die Ausländerb­ehörden die Regelungen zu oft gegen die Menschen auslegen“, sagt Seán McGinley, Vorsitzend­er des baden-württember­gischen Flüchtling­srates. Denn es gibt Ausnahmen, in denen das Bleiberech­t nicht erteilt wird – etwa wenn Flüchtling­e keine Pässe haben oder Mitwirkung­spflichten im Asylverfah­ren verletzen.

Zahlen der Bundesregi­erung zeigen: Obwohl in Deutschlan­d derzeit 25 318 Menschen seit mehr als acht Jahren sowie weitere 33 121 Menschen seit mehr als sechs Jahren geduldet leben, haben nur 898 Geduldete bundesweit ein Bleiberech­t bekommen. Die Organisati­on ProAsyl macht dafür unter anderem die Tatsache verantwort­lich, dass Geduldete wegen ihres unsicheren Aufenthalt­sstatus Probleme haben, feste Arbeitsplä­tze zu bekommen – und deswegen die vom Gesetz geforderte­n Voraussetz­ungen für erfolgreic­he Integratio­n nicht erfüllen. „Ich hätte von den Grünen erwartet, dass sie einen Abschiebes­topp verhängen, statt diesen nur für die Galerie zu fordern“, sagte McGinley.

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FOTO: DPA Protest auf dem Pflaster: Ein Demonstran­t hält seine Ablehnung von Abschiebun­gen in der Stuttgarte­r Fußgängerz­one fest. Doch die grün-schwarze Koalition wird weiter abschieben – auch nach Afghanista­n.

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