Orban sieht sich als Vorreiter
UN verurteilen drastische Verschärfung der Flüchtlingspolitik in Ungarn
BUDAPEST (dpa) - Ungarns rechtskonservativer Ministerpräsident Viktor Orban hat in der Flüchtlingsfrage schon sehr früh auf strikte Abschottung gesetzt. Im Herbst 2015 ließ er Stacheldrahtzäune an den Grenzen zu Serbien und Kroatien errichten. Neuerdings werden sie zu komplexeren Sperranlagen ausgebaut. Seit dem vergangenen Sommer werden Flüchtlinge, die den Zaun überwinden, über die Grenze nach Serbien zurückgeschoben, ohne dass sie einen Asylantrag stellen können. Viele Betroffene beklagen Misshandlungen durch ungarische Uniformierte: Schläge, Tritte, Pfefferspray, auf sie losgelassene Hunde.
Am Dienstag beschloss das Budapester Parlament ein neues Gesetz, mit dem die Orban-Regierung die Gangart gegen Migranten weiter verschärft. Nur wenige Asylsuchende – zuletzt durchschnittlich zehn am Tag – dürfen an zwei sogenannten „Transitzonen“ins Land. Sie sollen künftig bis zum Ende ihres Asylverfahrens ausnahmslos in diesen „Transitzonen“interniert werden.
Breite Mehrheit im Parlament
Sogar 14- bis 18-Jährige ohne erwachsene Begleitung sind davon betroffen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und Menschenrechtler sind bestürzt. Die Entscheidung, alle Asylbewerber für die Dauer ihres Verfahrens in grenznahen „Transitzonen“festzusetzen, sei ein klarer Bruch des EU-Rechts und des Völkerrechts, kritisierte das Flüchtlingshilfswerk UNHCR in Genf. Flüchtlinge können im Einzelfall in geschlossene Lager eingewiesen werden, falls sie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen.
Die ungarische Regierung bestreitet, dass es sich beim Zwangsaufenthalt in den kargen ContainerBurgen mit hohen Stacheldrahtzäunen um eine Internierung handeln würde. Ihr Argument: die Asylbewerber können ihre „Transitzone“jederzeit verlassen – aber nur in Richtung Serbien.
Alle Kritik lässt Orban an sich abprallen. Er verschärft nicht nur den Umgang mit Asylbewerbern, sondern auch die Rhetorik. Der Parlamentsabstimmung am Dienstag blieb er fern. Eine breite Mehrheit der Abgeordneten stimmten für die Festsetzung aller Flüchtlinge im Land. Zum selben Zeitpunkt sprach Orban bei der Vereidigung von frisch ausgebildeten „Grenzjägern“– Hilfspolizisten für den Grenzwachdienst. „Wir befinden uns selbst in diesem Moment im Belagerungszustand“, schärfte er den Rekruten ein. Der Druck auf die Grenzen werde nicht nachlassen, weil „immer noch Millionen darauf warten, um sich in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf den Weg zu machen“. Der Rechts-Konservative, der in seinem Land zwei Jahre lang flüchtlingsfeindliche Regierungskampagnen fuhr, stellt indes fest, dass nunmehr auch die Regierungen westeuropäischer Länder ihre Asylpolitik verschärfen. Nicht selten gingen auch sie an die Grenze dessen, was im Einklang mit den Menschenrechten steht.
Orban, dem Kritiker die Einschränkung der Bürgerrechte und der Medienfreiheit im eigenen Land vorwerfen, scheint wenig Skrupel an den Tag zu legen. Vielmehr wähnt er sich als Vorreiter, dem die anderen – wie er glaubt – früher oder später folgen werden. „Wenn die Welt sieht, dass wir unsere Grenzen zu schützen wissen, dass die verstärkte ungarische Grenzsperre unüberwindbar ist (…), dann wird niemand mehr versuchen, illegal nach Ungarn zu kommen“, ließ Orban seine „Grenzjäger“wissen.