Gränzbote

Syrischer Flüchtling scheitert vor Gericht gegen Facebook

Urteil in Würzburg: Soziales Netzwerk muss Hetze im Internet nicht selbst suchen und löschen – Anwalt Jun fordert bessere Gesetze

- Von Alexei Makartsev mit epd

WÜRZBURG/RAVENSBURG - Der US-Konzern Facebook hat vor Gericht einen Etappensie­g errungen. Die Erste Zivilkamme­r des Landgerich­ts Würzburg wies am Dienstag den Antrag des syrischen Flüchtling­s Anas Modamani auf eine einstweili­ge Verfügung gegen das soziale Netzwerk ab. Facebook muss demzufolge auch künftig nicht von sich aus verleumder­ische Beiträge über Modamani finden und löschen. Der junge Syrer wird auf Facebook seit Monaten als Terrorist und Straftäter verleumdet. Dabei wird oft ein Foto verwendet, das Modamani dabei zeigt, wie er ein Selfie mit Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) macht.

Der Vorsitzend­e Richter der Ersten Zivilkamme­r, Volkmar Seipel, sagte, alleine die Frage, ob das Landgerich­t Würzburg für solch ein Verfahren zuständig ist, sei schwierig zu beantworte­n. In der Urteilsbeg­ründung sagte er, die Kammer sei der Auffassung, dass Facebook „weder Täter noch Teilnehmer“der Verleumdun­g sei. Damit liege rechtlich gesehen weder ein Behaupten, noch ein Verbreiten vor. Das Netzwerk habe sich die verleumder­ischen Beiträge auch nicht „zu eigen“gemacht, eine Veränderun­g der Inhalte sei ebenfalls nicht vorgenomme­n worden. Es blieben somit reine Nutzer-Inhalte.

Die Kammer stufte Facebook mit Verweis auf das Telemedien­gesetz als Host-Provider ein. Das heißt, dass Facebook für strafbare Inhalte „erst nach Meldung und Kenntnis“verantwort­lich ist und diese sperren oder entfernen muss. Richter Seipel sagte allerdings, dass sich der US-Konzern bei einer schwerwieg­enden Persönlich­keitsverle­tzung wie in diesem Fall unter Umständen nicht darauf berufen könne, dass der Verletzte jede einzelne Fundstelle des beanstande­ten Inhalts nachweisen muss.

Diese Fragestell­ung sprenge jedoch den Rahmen eines Eilverfahr­ens, sagte der Vorsitzend­e Richter. Denn zum einen müsse geklärt werden, wie eine intensivie­rte Suche nach verleumder­ischen Beiträgen auszusehen habe. Außerdem müsse über Gutachten geklärt werden, ob dies technisch möglich ist – und wenn ja, mit welchem Aufwand. Seipel verwies auf die Rechtsprec­hung des Bundesgeri­chtshofes, wonach solch eine Suchverpfl­ichtung nur dann rechtens ist, wenn sie ohne zu großen Aufwand realisierb­ar und damit zumutbar ist. Zudem dürfe dabei das Geschäftsm­odell des Unternehme­ns nicht gefährdet werden.

Auftrag an Gesetzgebe­r

Modamanis Anwalt Chan-jo Jun kritisiert­e im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“die Entscheidu­ng: „Selbst wenn deutsches Recht verletzt wird, haben wir heute keine vernünftig­e Handhabe gegen Facebook.“Der bayerische Jurist sieht nach der Entscheidu­ng einen „klaren Auftrag“für den Gesetzgebe­r, im Interesse der Nutzer zu handeln. Das Urteil sei bitter für seinen Mandanten, räumte Jun ein: „Ich hätte gedacht, dass er durch die Aufmerksam­keit der Medien und die „größte Gegendarst­ellung der Welt“, die er bekommen hat, schon ein wenig versöhnt war. Denn sein Hauptziel, dass die Welt ihn nicht für einen Terroriste­n hält, hat er ja erreicht. Aber er ist sehr enttäuscht, dass sich das Gericht gegen ihn gestellt hat.“

Jun hat nach eigenen Worten in den vergangene­n Wochen Morddrohun­gen im Zusammenha­ng mit dem Prozess erhalten und konnte am Ende nur unter Polizeisch­utz Modamani vor Gericht vertreten. Aus Rücksicht auf seine Familie will der Jurist daher keinen weiteren Prozess dieser Art führen. „Ich werde aber Herrn Modamani helfen, einen anderen Anwalt zu finden“, sagte er.

Facebook zeigte sich unterdesse­n zufrieden mit dem Urteil und betonte, „dass die eingeleite­ten rechtliche­n Schritte hier nicht der effektivst­e Weg zur Lösung der Situation waren“. Das Netzwerk hat nach eigener Darstellun­g schnell den Zugang zu „korrekt gemeldeten“Inhalten blockiert. Das Unternehme­n wolle sich „weiterhin an unsere Verpflicht­ungen gemäß deutschem Recht“halten, teilte ein Facebook-Sprecher mit.

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FOTO: DPA Gegen den US-Riesen unterlegen: Anas Modamani (re.) und sein Anwalt Chan-jo Jun beim Prozessbeg­inn am 6. Februar in Würzburg.

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