Syrischer Flüchtling scheitert vor Gericht gegen Facebook
Urteil in Würzburg: Soziales Netzwerk muss Hetze im Internet nicht selbst suchen und löschen – Anwalt Jun fordert bessere Gesetze
WÜRZBURG/RAVENSBURG - Der US-Konzern Facebook hat vor Gericht einen Etappensieg errungen. Die Erste Zivilkammer des Landgerichts Würzburg wies am Dienstag den Antrag des syrischen Flüchtlings Anas Modamani auf eine einstweilige Verfügung gegen das soziale Netzwerk ab. Facebook muss demzufolge auch künftig nicht von sich aus verleumderische Beiträge über Modamani finden und löschen. Der junge Syrer wird auf Facebook seit Monaten als Terrorist und Straftäter verleumdet. Dabei wird oft ein Foto verwendet, das Modamani dabei zeigt, wie er ein Selfie mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) macht.
Der Vorsitzende Richter der Ersten Zivilkammer, Volkmar Seipel, sagte, alleine die Frage, ob das Landgericht Würzburg für solch ein Verfahren zuständig ist, sei schwierig zu beantworten. In der Urteilsbegründung sagte er, die Kammer sei der Auffassung, dass Facebook „weder Täter noch Teilnehmer“der Verleumdung sei. Damit liege rechtlich gesehen weder ein Behaupten, noch ein Verbreiten vor. Das Netzwerk habe sich die verleumderischen Beiträge auch nicht „zu eigen“gemacht, eine Veränderung der Inhalte sei ebenfalls nicht vorgenommen worden. Es blieben somit reine Nutzer-Inhalte.
Die Kammer stufte Facebook mit Verweis auf das Telemediengesetz als Host-Provider ein. Das heißt, dass Facebook für strafbare Inhalte „erst nach Meldung und Kenntnis“verantwortlich ist und diese sperren oder entfernen muss. Richter Seipel sagte allerdings, dass sich der US-Konzern bei einer schwerwiegenden Persönlichkeitsverletzung wie in diesem Fall unter Umständen nicht darauf berufen könne, dass der Verletzte jede einzelne Fundstelle des beanstandeten Inhalts nachweisen muss.
Diese Fragestellung sprenge jedoch den Rahmen eines Eilverfahrens, sagte der Vorsitzende Richter. Denn zum einen müsse geklärt werden, wie eine intensivierte Suche nach verleumderischen Beiträgen auszusehen habe. Außerdem müsse über Gutachten geklärt werden, ob dies technisch möglich ist – und wenn ja, mit welchem Aufwand. Seipel verwies auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, wonach solch eine Suchverpflichtung nur dann rechtens ist, wenn sie ohne zu großen Aufwand realisierbar und damit zumutbar ist. Zudem dürfe dabei das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht gefährdet werden.
Auftrag an Gesetzgeber
Modamanis Anwalt Chan-jo Jun kritisierte im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“die Entscheidung: „Selbst wenn deutsches Recht verletzt wird, haben wir heute keine vernünftige Handhabe gegen Facebook.“Der bayerische Jurist sieht nach der Entscheidung einen „klaren Auftrag“für den Gesetzgeber, im Interesse der Nutzer zu handeln. Das Urteil sei bitter für seinen Mandanten, räumte Jun ein: „Ich hätte gedacht, dass er durch die Aufmerksamkeit der Medien und die „größte Gegendarstellung der Welt“, die er bekommen hat, schon ein wenig versöhnt war. Denn sein Hauptziel, dass die Welt ihn nicht für einen Terroristen hält, hat er ja erreicht. Aber er ist sehr enttäuscht, dass sich das Gericht gegen ihn gestellt hat.“
Jun hat nach eigenen Worten in den vergangenen Wochen Morddrohungen im Zusammenhang mit dem Prozess erhalten und konnte am Ende nur unter Polizeischutz Modamani vor Gericht vertreten. Aus Rücksicht auf seine Familie will der Jurist daher keinen weiteren Prozess dieser Art führen. „Ich werde aber Herrn Modamani helfen, einen anderen Anwalt zu finden“, sagte er.
Facebook zeigte sich unterdessen zufrieden mit dem Urteil und betonte, „dass die eingeleiteten rechtlichen Schritte hier nicht der effektivste Weg zur Lösung der Situation waren“. Das Netzwerk hat nach eigener Darstellung schnell den Zugang zu „korrekt gemeldeten“Inhalten blockiert. Das Unternehmen wolle sich „weiterhin an unsere Verpflichtungen gemäß deutschem Recht“halten, teilte ein Facebook-Sprecher mit.