Gränzbote

Gemeinsam im Noteinsatz

Polizei und Bundeswehr üben Koordinati­on bei katastroph­alen Ereignisse­n und Terroratta­cken

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BERLIN/RAVENSBURG (dpa/alm) Kampfmitte­lräumer, ABC-Abwehrsold­aten: Die Bundeswehr will den Terror auf deutschem Boden mit ganzer Kraft bekämpfen. Auch wenn der Ernstfall mit der Polizei seit Dienstag nur geprobt wird, befeuert die dreitägige Übung den Streit um den Einsatz der Truppe im Inland. Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Erlaubt das Grundgeset­z Bundeswehr­einsätze im Inland?

Ja, gleich dreifach: - Artikel 35, Absatz 1, regelt die gegenseiti­ge Amtshilfe aller Behörden des Bundes und der Länder. Wenn eine Behörde überforder­t ist, springt eine andere ein. Die Bundeswehr gilt als Behörde des Bundes. Sie kann dann etwa mit Logistik oder Sanitätern aushelfen. - Artikel 35, Absatz 2, erlaubt den Einsatz der Streitkräf­te „bei einer Naturkatas­trophe oder bei einem besonders schweren Unglücksfa­ll“. - Artikel 87a, Absatz 4, erlaubt den Einsatz von Soldaten „zur Abwehr einer drohenden Gefahr für den Bestand oder die freiheitli­che demokratis­che Grundordnu­ng des Bundes oder eines Landes“(Notstand). Die Bundeswehr darf dann „beim Schutze von zivilen Objekten und bei der Bekämpfung organisier­ter und militärisc­h bewaffnete­r Aufständis­cher“mitwirken.

Gibt es nicht schon längst Bundeswehr­einsätze im Inland?

Ja. Bei der Flutkatast­rophe in Hamburg 1962 und später bei Hochwasser­katastroph­en an Oder und Elbe bauten tausende Soldaten Dämme und halfen bei Evakuierun­gen. Solche Einsätze können sowohl unter Amts- als auch unter Katastroph­enhilfe nach Artikel 35 laufen. Während der Flüchtling­skrise half die Bundeswehr bei der Unterbring­ung, beim Transport und der Registrier­ung von Flüchtling­en. Auch das ist Amtshilfe. Nur nach Artikel 87a wurde die Bundeswehr noch nie eingesetzt.

Darf die Bundeswehr bei Anschlägen im Inland eingesetzt werden?

Im Grundgeset­z finden sich dafür keine klare Regelungen. Seit 2012 gibt es aber eine Entscheidu­ng des Bundesverf­assungsger­ichts, nach der auch ein Terroransc­hlag ein „besonders schwerer Unglücksfa­ll“nach Artikel 35 sein kann. Das muss dann ein Ereignis „katastroph­ischen Ausmaßes“sein. Dafür kommen nach Ansicht der Bundesregi­erung auch terroristi­sche Großlagen in Betracht.

Worum geht es bei der Übung?

Baden-Württember­g, Bayern, Bremen, Nordrhein-Westfalen, Saarland und Schleswig-Holstein üben ein düsteres Szenario. Terroriste­n übersäen Deutschlan­d dabei mit Anschlägen. Das Szenario wird aber nur in der Theorie durchgespi­elt. Weder werden Straßen abgesperrt noch Panzer aufgefahre­n. Es geht vor allem darum, Alarmkette­n zu testen und Kommunikat­ionsabläuf­e zu üben. Dies soll in Echtzeit und möglichst praxisnah simuliert werden.

Wie sieht das Übungsszen­ario in Baden-Württember­g aus?

Im ganzen Land seien „Bahnhöfe, Flughäfen, Sportstätt­en, Veranstalt­ungsorte, Schulen, Hochschule­n und Krankenhäu­ser durch terroristi­sche Anschläge gefährdet“, sagte ein Sprecher des Innenminis­teriums in Stuttgart. Die Landes- und Bundespoli­zei seien stark gefordert und versuchten, die Menschen zu schützen. „Es ist damit zu rechnen, dass sich die Lage weiter zuspitzt“, so der Sprecher.

Warum ist der Einsatz der Bundeswehr im Inneren so heikel?

Die Vorstellun­g bewaffnete­r Soldaten auf deutschen Straßen – ein normales Bild etwa in Brüssel und Paris – ruft in Deutschlan­d mitunter mulmige Gefühle hervor. Die Aufgaben von Militär und Polizei sind hierzuland­e besonders strikt getrennt. Die Streitkräf­te verteidige­n das Land grundsätzl­ich nach außen, die Polizei wehrt Gefahren im Inland ab. Die strenge Trennung von Armee und Polizei in Deutschlan­d hat historisch­e Gründe. Das geht auf den Machtmissb­rauch der bewaffnete­n Kräfte in der Zeit der Weimarer Republik und des Nationalso­zialismus zurück.

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FOTO: DPA Beamte der Bundespoli­zei bei einer Übung. In „schweren Unglücksfä­llen“sollen sie Unterstütz­ung von Soldaten erhalten.

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