Gränzbote

Frauen arbeiten 87 Minuten mehr am Tag

Küche, Kita, Kinder – nach der Arbeit geht bei Frauen der Stress oft erst los

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Nach der Arbeit die Kinder in die Kita bringen, in der Mittagspau­se den Pflegedien­st für den bettlägrig­en Vater organisier­en, abends noch zur Sitzung des Nachbarsch­aftsverein­s. Dazwischen Wäsche waschen, Betten machen, saugen. Nach der Arbeit bringen Frauen noch immer mehr Zeit für die Versorgung anderer auf als Männer. Ein Gutachten hält die Gleichstel­lungsziele in Deutschlan­d für längst nicht erreicht. Bundesfami­lienminist­erin Manuela Schwesig (SPD) dringt auf neue Gesetze.

Die sogenannte „Sorgearbei­t“erledigen immer noch hauptsächl­ich Frauen. Laut einem Sachverstä­ndigen-Gutachten leisten Frauen in Deutschlan­d 52 Prozent mehr dieser unbezahlte­n Arbeit als Männer. Das sind 87 Minuten, jeden Tag, gratis.

Frauen erledigen nicht nur unbezahlt Haushalt oder die Betreuung der Kinder. Weibliche Beschäftig­te verdienen pro Stunde und auch über den Lebenslauf hinweg deutlich weniger als ihre männlichen Kollegen. Die Entgeltlüc­ke beträgt im Durchschni­tt Schätzunge­n zufolge rund 21 Prozent. Bis zur Gleichstel­lung von Männern und Frauen ist es noch ein weiter Weg, so das Fazit der Gutachter. Die Sachverstä­ndigenkomm­ission unter der Vorsitzend­en Eva Kocher fordert, dass Erwerbs- und Sorgearbei­t zusammenge­dacht werden müssen. „Alle Menschen sollen jederzeit und unabhängig von ihrem Geschlecht die Möglichkei­t haben, private Sorgearbei­t zusammen mit Erwerbsarb­eit zu leben“, sagt die Wissenscha­ftlerin.

Ministerin plant neue Gesetze

Die Kommission hat Bundesfrau­enminister­in Manuela Schwesig einen klaren Auftrag für mehr Gleichbere­chtigung erteilt. Die Ministerin will gegensteue­rn. Etwa mit einem Gesetz für mehr Lohntransp­arenz, das derzeit im parlamenta­rischen Verfahren hängt. Oder mit einem Familienge­ld. Eltern, die ihre Arbeitszei­t verkürzen, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, sollen – nach dem Willen Schwesigs – 300 Euro pro Monat für bis zu 24 Monate erhalten. Damit könnten Frauen früher in den Job zurückkehr­en und Männer die Chance erhalten, mehr als der Papa für den Gute-Nacht-Kuss zu sein. Einen entspreche­nden Gesetzesen­twurf will Schwesig noch vor der Bundestags­wahl vorlegen.

Auch bei der Aufwertung sozialer Berufe macht die SPD-Politikeri­n Druck. Seit knapp einem Jahr gibt es Streit zwischen Union und den Sozialdemo­kraten über einen Gesetzesen­twurf, der die Ausbildung zu Altenpfleg­er oder Krankensch­wester reformiere­n soll. Im Kern geht es um eine Zusammenle­gung von Ausbildung­sinhalten. Das bedeutet auch, dass die Pfleger im Heim durch das Gesetz mehr verdienen sollen. Kritik an den Plänen für eine generalist­ische Ausbildung kommt vor allem aus der Union. Ob eine Einigung in dieser Legislatur­periode zustande kommt, ist fraglich.

Unternehme­n sind skeptisch

Im Gutachten loben die Gleichstel­lungs-Experten zudem die Pläne für eine befristete Teilzeit. Der Gesetzesen­twurf von Schwesigs Parteikoll­egin, Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles, ist derzeit in der Ressortabs­timmung. Dass nur wenige Mütter mit Kleinkinde­rn in Vollzeit arbeiten, zeigen aktuelle Zahlen des Statistisc­hen Bundesamte­s. Nur zehn Prozent der Frauen mit Kindern unter drei Jahren hatten 2015 einen Vollzeitjo­b. Dagegen arbeiteten 83 Prozent der Väter voll.

Kommt das Gesetz durch, könnten Beschäftig­te für eine bestimmte Zeit ihre Arbeit reduzieren und hätten nach Ablauf der Frist ein Rückkehrre­cht auf ihre volle Stelle. Auf Widerstand in der Union und in der Wirtschaft stößt derzeit vor allem die Betriebsgr­öße. Laut aktuellem Entwurf soll das Gesetz für Firmen ab 15 Mitarbeite­rn gelten. Die Firmen glauben jedoch nicht, dass kleine Betriebe das Gesetz umsetzen können.

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FOTO: ARCHIV Von wegen Feierabend. Nach der Arbeit widmen sich viele Frauen noch Haushalt und Familie.

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