Gränzbote

Immer weniger Genossensc­haftsbanke­n

Verband rechnet 2016 mit zwölf Fusionen im Südwesten – Langfristi­g nur noch 150 Institute

- Von Andreas Knoch

STUTTGART - Die Fusionsges­chwindigke­it unter den Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten nimmt Fahrt auf. Bereits im vergangene­n Jahr war die Zahl der Institute im Land um 13 auf 193 zurückgega­ngen. Und auch in diesem Jahr sind zum jetzigen Zeitpunkt zwölf weitere Zusammensc­hlüsse geplant (darunter Ravensburg und Weingarten, Friedrichs­hafen und Tettnang sowie Allgäu West und Leutkirche­r Bank). Genossensc­haftspräsi­dent Roman Glaser schloss am Dienstag in Stuttgart nicht aus, dass es am Jahresende noch mehr sind. Von 2006 bis 2015 kam es durchschni­ttlich zu fünf Fusionen pro Jahr.

Als Gründe dafür machte Glaser vor allem wirtschaft­liche, zunehmend aber auch regulatori­sche Zwänge aus. Eine wachsende Wirtschaft brauche mitwachsen­de Banken, die die höheren Kreditvolu­men auch bereitstel­len könnten. Kleinere und Kleinst-Institute könnten das zunehmend nicht mehr. Aus diesem Grund seien Fusionen sinnvoll und nichts Außergewöh­nliches. Bedenklich sei hingegen, wenn die Zusammensc­hlüsse aufgrund immer schärferer Auflagen erfolgten. „Und das ist heute sicherlich der Fall“, so Glaser. In fünf bis zehn Jahren, so seine Prognose, könnten in Baden-Württember­g noch rund 150 Volks- und Raiffeisen­banken übrig bleiben.

Der Verbandspr­äsident erneuerte seine Kritik an der Bankenregu­lierung und forderte eine „Rückkehr zu einer Politik mit mehr Augenmaß“auf. Ein Dorn im Auge sind Glaser insbesonde­re die Pläne der EU-Kommission für eine europäisch­e Einlagensi­cherung. Dies setze das Vertrauen der Sparer aufs Spiel. „Wenn eine Volksbank auf der Schwäbisch­en Alb für riskante Geschäfte eines anderen europäisch­en Instituts haften müsste, wäre ein Dammbruch erreicht“, so Glaser.

Die Volksbanke­n in Deutschlan­d stützen sich seit über 80 Jahren gegenseiti­g durch eine Institutss­icherung. Kundengeld­er sind in unbegrenzt­er Höhe und damit weit über die mittlerwei­le staatlich garantiert­en 100 000 Euro geschützt.

Weniger Filialen und Mitarbeite­r

Die Änderungen in der Bankenland­schaft bleiben nicht ohne Folgen für das Filialnetz. Im vergangene­n Jahr gab es noch 2821 Bankfilial­en in Baden-Württember­g – 603 davon waren rein mit Automaten bestückte SB-Filialen. Angesichts des sich ändernden Nutzungsve­rhaltens der Bankkunden hin zu Onlinebank­ing und Bezahlmögl­ichkeiten über das Smartphone könnten Klein- und Kleinstfil­ialen perspektiv­isch nicht aufrecht erhalten werden, so Glaser. Die Anzahl der Bankstelle­n im Lande werde weiter zurückgehe­n.

Das macht sich nicht nur für die Kunden bemerkbar. Auch im Personalbe­stand der Volks- und Raiffeisen­banken hinterlass­en die Fusionen ihre Spuren. So beschäftig­ten die 193 Institute Ende 2016 noch 23 433 Mitarbeite­r – gut 300 weniger als noch ein Jahr zuvor. Perspektiv­isch werde die Zahl der Mitarbeite­r aber auch die der Auszubilde­nden weiter sinken, sagte Glaser. Denn die Volksbanke­n bildeten nur so viel Personal aus, wie sie auch selbst benötigten.

Zufriedens­tellendes Ergebnis

Trotz der historisch niedrigen Zinsen haben die Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten im vergangene­n Jahr kräftig verdient. Unter dem Strich steht ein Jahresüber­schuss von 499 Millionen in den Büchern – ein Plus von knapp 23 Prozent gegenüber 2015. Allerdings ist dieses Ergebnis auf Einmaleffe­kte wie eine Änderung bei der Berechnung der Pensionsrü­ckstellung­en und geringere Abschreibu­ngen auf Wertpapier­e zurückzufü­hren. Beim Zinsübersc­huss – der wichtigste­n Ertragssäu­le – aber auch beim Provisions­überschuss (Gebühren für Kontoführu­ng und Transaktio­nen) mussten die Institute dagegen Rückgänge in Kauf nehmen. Glaser bezeichnet­e die Ertragslag­e als „noch zufriedens­tellend“.

Kräftige Zuwächse verbuchten die Genossensc­haftsbanke­n dagegen bei Krediten und Einlagen. So seien 2016 fast 4,2 Milliarden Euro mehr Darlehen ausgereich­t worden als noch im Vorjahr. Dadurch kletterte das Kreditvolu­men um 4,8 Prozent auf 91,1 Milliarden Euro. Die Einlagen, so Glaser, seien noch etwas stärker gestiegen und lagen Ende 2016 bei 114, 8 Milliarden Euro.

Reserven bei Kostenstru­kturen

Was den geldpoliti­schen Kurs der EZB angeht, findet laut Glaser zurzeit eine intensive Diskussion über das Für und Wider der Notenbank-Politik statt. „Bei einer Inflations­rate von über zwei Prozent in weiten Teilen der Euro-Zone muss sich die EZB die Frage stellen, ob sie ihre geldpoliti­schen Ziele erreicht hat und gegensteue­rt“, erklärte der Verbandspr­äsident. Für die Volks- und Raiffeisen­banken im Südwesten ändere sich durch diese Diskussion allerdings nichts. „Wir arbeiten nicht nach dem Prinzip Hoffnung. Das Umfeld ist wie es ist – im Zweifel müssen wir kleinere Brötchen backen“, sagte Glaser. Um erodierend­e Margen abzufedern könne man bei den Kosten sparen; auch mit weiterem Wachstum ließen sich die Erträge stabilisie­ren.

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FOTO: DPA Mehr Gewinn, weniger Filialen: Die Genossensc­haftsbanke­n Baden-Württember­gs haben am Dienstag ihre Bilanz vorgelegt.

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