Immer weniger Genossenschaftsbanken
Verband rechnet 2016 mit zwölf Fusionen im Südwesten – Langfristig nur noch 150 Institute
STUTTGART - Die Fusionsgeschwindigkeit unter den Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten nimmt Fahrt auf. Bereits im vergangenen Jahr war die Zahl der Institute im Land um 13 auf 193 zurückgegangen. Und auch in diesem Jahr sind zum jetzigen Zeitpunkt zwölf weitere Zusammenschlüsse geplant (darunter Ravensburg und Weingarten, Friedrichshafen und Tettnang sowie Allgäu West und Leutkircher Bank). Genossenschaftspräsident Roman Glaser schloss am Dienstag in Stuttgart nicht aus, dass es am Jahresende noch mehr sind. Von 2006 bis 2015 kam es durchschnittlich zu fünf Fusionen pro Jahr.
Als Gründe dafür machte Glaser vor allem wirtschaftliche, zunehmend aber auch regulatorische Zwänge aus. Eine wachsende Wirtschaft brauche mitwachsende Banken, die die höheren Kreditvolumen auch bereitstellen könnten. Kleinere und Kleinst-Institute könnten das zunehmend nicht mehr. Aus diesem Grund seien Fusionen sinnvoll und nichts Außergewöhnliches. Bedenklich sei hingegen, wenn die Zusammenschlüsse aufgrund immer schärferer Auflagen erfolgten. „Und das ist heute sicherlich der Fall“, so Glaser. In fünf bis zehn Jahren, so seine Prognose, könnten in Baden-Württemberg noch rund 150 Volks- und Raiffeisenbanken übrig bleiben.
Der Verbandspräsident erneuerte seine Kritik an der Bankenregulierung und forderte eine „Rückkehr zu einer Politik mit mehr Augenmaß“auf. Ein Dorn im Auge sind Glaser insbesondere die Pläne der EU-Kommission für eine europäische Einlagensicherung. Dies setze das Vertrauen der Sparer aufs Spiel. „Wenn eine Volksbank auf der Schwäbischen Alb für riskante Geschäfte eines anderen europäischen Instituts haften müsste, wäre ein Dammbruch erreicht“, so Glaser.
Die Volksbanken in Deutschland stützen sich seit über 80 Jahren gegenseitig durch eine Institutssicherung. Kundengelder sind in unbegrenzter Höhe und damit weit über die mittlerweile staatlich garantierten 100 000 Euro geschützt.
Weniger Filialen und Mitarbeiter
Die Änderungen in der Bankenlandschaft bleiben nicht ohne Folgen für das Filialnetz. Im vergangenen Jahr gab es noch 2821 Bankfilialen in Baden-Württemberg – 603 davon waren rein mit Automaten bestückte SB-Filialen. Angesichts des sich ändernden Nutzungsverhaltens der Bankkunden hin zu Onlinebanking und Bezahlmöglichkeiten über das Smartphone könnten Klein- und Kleinstfilialen perspektivisch nicht aufrecht erhalten werden, so Glaser. Die Anzahl der Bankstellen im Lande werde weiter zurückgehen.
Das macht sich nicht nur für die Kunden bemerkbar. Auch im Personalbestand der Volks- und Raiffeisenbanken hinterlassen die Fusionen ihre Spuren. So beschäftigten die 193 Institute Ende 2016 noch 23 433 Mitarbeiter – gut 300 weniger als noch ein Jahr zuvor. Perspektivisch werde die Zahl der Mitarbeiter aber auch die der Auszubildenden weiter sinken, sagte Glaser. Denn die Volksbanken bildeten nur so viel Personal aus, wie sie auch selbst benötigten.
Zufriedenstellendes Ergebnis
Trotz der historisch niedrigen Zinsen haben die Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten im vergangenen Jahr kräftig verdient. Unter dem Strich steht ein Jahresüberschuss von 499 Millionen in den Büchern – ein Plus von knapp 23 Prozent gegenüber 2015. Allerdings ist dieses Ergebnis auf Einmaleffekte wie eine Änderung bei der Berechnung der Pensionsrückstellungen und geringere Abschreibungen auf Wertpapiere zurückzuführen. Beim Zinsüberschuss – der wichtigsten Ertragssäule – aber auch beim Provisionsüberschuss (Gebühren für Kontoführung und Transaktionen) mussten die Institute dagegen Rückgänge in Kauf nehmen. Glaser bezeichnete die Ertragslage als „noch zufriedenstellend“.
Kräftige Zuwächse verbuchten die Genossenschaftsbanken dagegen bei Krediten und Einlagen. So seien 2016 fast 4,2 Milliarden Euro mehr Darlehen ausgereicht worden als noch im Vorjahr. Dadurch kletterte das Kreditvolumen um 4,8 Prozent auf 91,1 Milliarden Euro. Die Einlagen, so Glaser, seien noch etwas stärker gestiegen und lagen Ende 2016 bei 114, 8 Milliarden Euro.
Reserven bei Kostenstrukturen
Was den geldpolitischen Kurs der EZB angeht, findet laut Glaser zurzeit eine intensive Diskussion über das Für und Wider der Notenbank-Politik statt. „Bei einer Inflationsrate von über zwei Prozent in weiten Teilen der Euro-Zone muss sich die EZB die Frage stellen, ob sie ihre geldpolitischen Ziele erreicht hat und gegensteuert“, erklärte der Verbandspräsident. Für die Volks- und Raiffeisenbanken im Südwesten ändere sich durch diese Diskussion allerdings nichts. „Wir arbeiten nicht nach dem Prinzip Hoffnung. Das Umfeld ist wie es ist – im Zweifel müssen wir kleinere Brötchen backen“, sagte Glaser. Um erodierende Margen abzufedern könne man bei den Kosten sparen; auch mit weiterem Wachstum ließen sich die Erträge stabilisieren.