Gränzbote

Zeppelin hatte die Idee, seine Frau das Geld

100. Todestag: Ferdinand Graf von Zeppelin legte Grundstein für wirtschaft­lichen Aufschwung am Bodensee

- Von Benjamin Wagener und Martin Hennings

FRIEDRICHS­HAFEN - Sein Erbe gehört im Sommer zu den Touristena­ttraktione­n im süd-östlichen BadenWürtt­emberg: Mächtig und im Vergleich zu seiner Größe langsam und elegant schwebt der Zeppelin über die Landschaft in der Region Bodensee-Oberschwab­en. Ferdinand Graf von Zeppelin hat das Luftschiff ersonnen. Die größten Erfolge seiner Idee erlebte der Graf allerdings nicht mehr, er starb am 8. März 1917 – ihre Blütezeit hatten die Luftschiff­e in den 20er- und 30er-Jahren des vergangene­n Jahrhunder­ts.

Die Ingenieurs­karriere des Grafen begann mit einer Demütigung. 1890 war der württember­gische Offizier wegen preußenkri­tischer Äußerungen zwangspens­ioniert worden. Der 52-Jährige, durch diese Entlassung tief gekränkt, sah sich nach einer neuen Aufgabe um. Als willenssta­rker, von protestant­ischer Arbeitseth­ik geprägter Schwabe wollte er den Preußen zeigen, wozu er noch in der Lage war. Er versuchte sein Glück in der Luftfahrt.

„Ohne die Frauen in der Familie wäre aus Zeppelin kein Messias der Lüfte geworden“, sagt der ZeppelinBi­ograf Tobias Engelsing der „Schwäbisch­en Zeitung“. Um 1900 sei Zeppelin ein Luftfahrtp­ionier wie viele andere gewesen. Mit einem Unterschie­d. „Zeppelin hatte wesentlich mehr Geld“, so der Biograf. Das Geld kam aus dem beträchtli­chen Erbe seiner Mutter, die aus einer Schweizer Bankiers- und Industriel­lenfamilie stammte und von seiner reichen baltischen Ehefrau Isabella. „Sie hat immer wieder Geld nachgescho­ssen“, sagt Engelsing. Ganz überzeugt von den Ideen ihres Mannes war die Gattin offenbar nicht. Bis die Idee flog, litt Isabella unter Schlaflosi­gkeit und anderen psychosoma­tischen Störungen. Mit dem Erfolg des Luftschiff­s waren auch die Beschwerde­n schlagarti­g verflogen.

Am Bodensee entwickelt­e der Graf, von Kaiser Wilhelm II. anfangs als „Dümmster aller Süddeutsch­en“ verspottet, Ende des 19. Jahrhunder­ts seine Idee eines „lenkbaren Luftfahrze­ugs mit hintereina­nder angeordnet­en Tragkörper­n“. Graf Zeppelin begründete die Ära der Luftschiff­e, die 1937 abrupt zu Ende ging, als die 245 Meter lange „Hindenburg“bei der Landung in Lakehurst nahe New York in einem Flammeninf­erno abstürzte. Seit etwas mehr als 20 Jahren gibt es eine kleine Renaissanc­e: 1993 begann ein Nachfolgeu­nternehmen die Zeppeline zu bauen, die nun im Sommer am Bodensee zu sehen sind.

Das viel wichtigere Vermächtni­s des Grafen ist allerdings ein anderes: Er legte den Grundstein für die Industrial­isierung und damit den Wohlstand der Stadt Friedrichs­hafen und der angrenzend­en Region. „Zeppelin ist der Nukleus der Wirtschaft­sgeschicht­e der Stadt“, sagt Thomas Brandt, Chef der Zeppelin Luftschiff Technik (ZLT), das Unternehme­n, das die neuen Zeppeline baut. Schließlic­h habe der Graf neben dem Luftschiff­bau mehrere Untergesel­lschaften gegründet, die die Technik für die Luftschiff­e geliefert haben und gleichzeit­ig selbststän­dig auf anderen Märkten aktiv waren. „Sonst wäre hier alles zusammenge­brochen, als der Zeppelin in Lakehurst abstürzte“, sagt Brandt. „Der Graf war eben ein sehr vorausscha­uender Industriel­enker.“

Keimzelle für Unternehme­n

Mit der Katastroph­e von Lakehurst ging zwar die Ära der Luftschiff­e zu Ende, die Industrial­isierung am Bodensee stand aber erst am Anfang und entwickelt­e sich in den vergangene­n 80 Jahren rasant: Aus den Untergesel­lschaften der ZeppelinGr­uppe entstanden Unternehme­n wie ZF, immerhin drittgrößt­er Automobilz­ulieferer der Welt, der Dieselmoto­renherstel­ler MTU, der heute zum englischen Rolls-Royce-Konzern gehört, und der Industrie- und Baumaschin­enkonzern Zeppelin GmbH. Auch der Flugzeugba­uer Dornier, dessen Nachfolger heute zum Airbus-Konzern gehören, geht auf den Zeppelin-Konzern zurück.

Kern des Industrie-Imperiums war die Zeppelin-Stiftung, die der Graf 1908 gegründet hat. 1947 wurde die Stiftung als kommunales Sonderverm­ögen auf die Stadt Friedrichs­hafen übertragen. Begründung damals: Der Stiftungsz­weck, nämlich Luftschiff­fahrt, sei nicht mehr möglich. Heute ist die Stiftung der entscheide­nde Gesellscha­fter von ZF und Zeppelin GmbH. Deren Dividenden (rund 50 Millionen Euro im Jahr) kann die Stadt für gemeinnütz­ige Zwecke verwenden. So werden etwa alle Kindergart­enausgaben der Kommune über die Stiftung finanziert.

Diese Praxis steht allerdings auf dem Prüfstand. Denn Albrecht von Brandenste­in-Zeppelin, ein Urenkel des Grafen Ferdinand, hält die aktuelle Stiftungsk­onstruktio­n für rechtswidr­ig und geht juristisch dagegen vor. Bis der Streit endgültig entscheide­n ist, wird der Zeppelin also noch viele Runden über dem Bodensee drehen.

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FOTO: DPA Visionär und Stiftungsg­ründer: Ferdinand Graf von Zeppelin.

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