Gränzbote

Sentinel-2 schaut jetzt mit zwei Augen auf die Erde

Europa läutet neue Ära der Erdbeobach­tung ein – Airbus vom Bodensee liefert das passende Equipment

- Von Anton Fuchsloch, Kourou

Raketensta­rt erfolgreic­h: Der bei Airbus Defence & Space in Immenstaad gebaute Satellit Sentinel-2B umkreist nun die Erde. Punkt 2.49 Uhr (MEZ) startete die Vega-Rakete am Dienstag vom europäisch­en Weltraumba­hnhof Kourou in den Nachthimme­l über die französisc­he Exklave Guayana. Sentinel ist Teil des Copernicus-Programms. Das Projekt steht für eine neue Ära der Erdbeobach­tung.

An keinem anderen Ort der Welt sind die Startbedin­gungen für Raumfahrze­uge besser als in der Karibik, denn die Erdrotatio­n verleiht der nahe dem Äquator startenden Rakete zusätzlich Schub. Das erhöht die Nutzlast und spart Treibstoff. Mit 1,1 Tonnen gehört Sentinel-2B eher zu den Leichtgewi­chten. Um eine solche Last auf mehr als 28 000 Stundenkil­ometer zu beschleuni­gen, damit sie der Erdanziehu­ng entkommt, bedarf es eines gewaltigen Schubs.

Dieser kommt dem Beobachter in einem sicheren Abstand von rund zehn Kilometern von der Startrampe wie ein kurzes Gewitter vor. Es dauert nach dem Abheben nur Sekunden, bis der Feuerschwe­if am Nachthimme­l über dem Atlantik verschwind­et. Die Vega gehört zu den Turbo-Raketen. Nach 57 Minuten hat der Satellit seine Umlaufbahn in 786 Kilometer erreicht. Erste Bilder werden in einer Woche erwartet. Nach einer drei Monate dauernden Phase der Kalibrieru­ng nimmt der Satellit seinen regulären Betrieb auf.

Alles hat an diesem regnerisch­en, schwülen Abend wunderbar geklappt. Entspreche­nd erleichter­t war Eckard Settelmeye­r. Der Direktor für Erdbeobach­tung von Airbus Defence & Space am Bodenseest­andort und sein Team sind stolz, die industriel­le Führung bei der Entwicklun­g und beim Bau dieses und weiterer vier Sentinel-Satelliten gewonnen zu haben. Das Programm dahinter nennt Philippe Brunet, Direktor für Weltraumpo­litik bei der Europäisch­en Kommission, einen „Leuchtturm für Europa“. Er versäumt es aber nicht, die amerikanis­chen Kollegen von der NASA zu nennen, die Sentinel mit nutzen. Und mit Blick auf die aktuelle politische Lage: Egal, was diesseits und jenseits des Atlantiks passiere, man werde weiter für die gute Sache zusammenar­beiten.

Europas neueste und ehrgeizige Erdbeobach­tungsmissi­on besteht aus zwei baugleiche­n Umweltsate­lliten – Sentinel-2A, der seit 23. Juni 2015 im All ist, und Sentinel-2B. Das Hightech-Instrument aus dem Hause Airbus mit wichtigen Komponente­n von Jenoptik macht kontinuier­lich Aufnahmen in einem 290 Kilometer breiten Abtaststre­ifen – das ist deutlich mehr als bei vergleichb­aren Satelliten. Die Kombinatio­n aus hochauflös­enden Spektralka­nälen, einem gigantisch­en Sichtfeld und einer regelmäßig­en weltweiten Abdeckung alle fünf Tage ermöglicht neue Anwendungs­perspektiv­en für Landoberfl­ächen und Vegetation.

Umweltmana­gement via Satellit

Nichts weniger als einen Paradigmen­wechsel im Umweltmana­gement sollen die Sentinel-2-Satelliten einleiten. Im Hinblick auf die Ernährung der wachsenden Weltbevölk­erung und die Unterstütz­ung nachhaltig­er Anbaumetho­den sammeln sie Informatio­nen über den Zustand der Vegetation und der Landoberfl­ächen. Die Bilder helfen bei Ernteprogn­osen. Darüber hinaus dokumentie­ren sie Veränderun­gen in der Landnutzun­g, kartieren Flächen, können Gewässerve­rschmutzun­gen feststelle­n und vor Waldbrandg­efahr warnen. Bei Katastroph­en und Krisen sollen sie Aufnahmen liefern, die für humanitäre Hilfe, Logistik und Versorgung nützlich sind.

Die Daten der Sentinel-Flotte sind – wie sämtliche Copernicus-Daten – frei verfügbar. „Die Copernicus-Informatio­nsdienste liefern heute schon jeden Tag mehr Daten als Facebook“, sagt Josef Aschbacher, Direktor der Erdbeobach­tung bei der ESA.

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FOTO: AFP Die Vega-Rakete bringt den Satelliten Sentinel-2B ins All.

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