Sentinel-2 schaut jetzt mit zwei Augen auf die Erde
Europa läutet neue Ära der Erdbeobachtung ein – Airbus vom Bodensee liefert das passende Equipment
Raketenstart erfolgreich: Der bei Airbus Defence & Space in Immenstaad gebaute Satellit Sentinel-2B umkreist nun die Erde. Punkt 2.49 Uhr (MEZ) startete die Vega-Rakete am Dienstag vom europäischen Weltraumbahnhof Kourou in den Nachthimmel über die französische Exklave Guayana. Sentinel ist Teil des Copernicus-Programms. Das Projekt steht für eine neue Ära der Erdbeobachtung.
An keinem anderen Ort der Welt sind die Startbedingungen für Raumfahrzeuge besser als in der Karibik, denn die Erdrotation verleiht der nahe dem Äquator startenden Rakete zusätzlich Schub. Das erhöht die Nutzlast und spart Treibstoff. Mit 1,1 Tonnen gehört Sentinel-2B eher zu den Leichtgewichten. Um eine solche Last auf mehr als 28 000 Stundenkilometer zu beschleunigen, damit sie der Erdanziehung entkommt, bedarf es eines gewaltigen Schubs.
Dieser kommt dem Beobachter in einem sicheren Abstand von rund zehn Kilometern von der Startrampe wie ein kurzes Gewitter vor. Es dauert nach dem Abheben nur Sekunden, bis der Feuerschweif am Nachthimmel über dem Atlantik verschwindet. Die Vega gehört zu den Turbo-Raketen. Nach 57 Minuten hat der Satellit seine Umlaufbahn in 786 Kilometer erreicht. Erste Bilder werden in einer Woche erwartet. Nach einer drei Monate dauernden Phase der Kalibrierung nimmt der Satellit seinen regulären Betrieb auf.
Alles hat an diesem regnerischen, schwülen Abend wunderbar geklappt. Entsprechend erleichtert war Eckard Settelmeyer. Der Direktor für Erdbeobachtung von Airbus Defence & Space am Bodenseestandort und sein Team sind stolz, die industrielle Führung bei der Entwicklung und beim Bau dieses und weiterer vier Sentinel-Satelliten gewonnen zu haben. Das Programm dahinter nennt Philippe Brunet, Direktor für Weltraumpolitik bei der Europäischen Kommission, einen „Leuchtturm für Europa“. Er versäumt es aber nicht, die amerikanischen Kollegen von der NASA zu nennen, die Sentinel mit nutzen. Und mit Blick auf die aktuelle politische Lage: Egal, was diesseits und jenseits des Atlantiks passiere, man werde weiter für die gute Sache zusammenarbeiten.
Europas neueste und ehrgeizige Erdbeobachtungsmission besteht aus zwei baugleichen Umweltsatelliten – Sentinel-2A, der seit 23. Juni 2015 im All ist, und Sentinel-2B. Das Hightech-Instrument aus dem Hause Airbus mit wichtigen Komponenten von Jenoptik macht kontinuierlich Aufnahmen in einem 290 Kilometer breiten Abtaststreifen – das ist deutlich mehr als bei vergleichbaren Satelliten. Die Kombination aus hochauflösenden Spektralkanälen, einem gigantischen Sichtfeld und einer regelmäßigen weltweiten Abdeckung alle fünf Tage ermöglicht neue Anwendungsperspektiven für Landoberflächen und Vegetation.
Umweltmanagement via Satellit
Nichts weniger als einen Paradigmenwechsel im Umweltmanagement sollen die Sentinel-2-Satelliten einleiten. Im Hinblick auf die Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung und die Unterstützung nachhaltiger Anbaumethoden sammeln sie Informationen über den Zustand der Vegetation und der Landoberflächen. Die Bilder helfen bei Ernteprognosen. Darüber hinaus dokumentieren sie Veränderungen in der Landnutzung, kartieren Flächen, können Gewässerverschmutzungen feststellen und vor Waldbrandgefahr warnen. Bei Katastrophen und Krisen sollen sie Aufnahmen liefern, die für humanitäre Hilfe, Logistik und Versorgung nützlich sind.
Die Daten der Sentinel-Flotte sind – wie sämtliche Copernicus-Daten – frei verfügbar. „Die Copernicus-Informationsdienste liefern heute schon jeden Tag mehr Daten als Facebook“, sagt Josef Aschbacher, Direktor der Erdbeobachtung bei der ESA.