Gränzbote

Südwest-SPD feiert Schulz wie Popstar

Erster Auftritt des Kanzlerkan­didaten im Südwesten - Landeslist­e verabschie­det

- Von Kara Ballarin

SCHWÄBISCH GMÜND - Mit 94 Prozent haben die Delegierte­n des SPDLandesp­arteitags in Schwäbisch Gmünd ihre Landesvors­itzende Leni Breymaier zur Spitzenkan­didatin für die Bundestags­wahl gekürt. Einer hat ihr an diesem Samstag aber die Show gestohlen: Kanzlerkan­didat Martin Schulz. Die Landeslist­e haben die Delegierte­n wie vorgeschla­gen abgesegnet – sehr zur Enttäuschu­ng der Jusos und deren Vorsitzend­en Leon Hahn aus Friedrichs­hafen.

Die Südwest-SPD hat am Samstag ihre Kandidaten­liste für die Bundestags­wahl aufgestell­t und über Inhalte für ihren Leitantrag hierzu gerungen. Warum das Congress-Centrum im Stadtgarte­n so voll war, lag aber vor allem an Martin Schulz. Der Kanzlerkan­didat der SPD hat die 320 Delegierte­n plus Gäste bei seinem ersten Baden-Württember­g-Besuch in Verzückung versetzt. Wie einem Popstar jubelten sie dem Mann zu, der die Partei aus dem Umfrageloc­h geführt hat. Als er nach Minuten des Applauses kurz nach 12 Uhr auf dem Podium zu Wort kam, passierte etwas Außergewöh­nliches: Es wurde mucksmäusc­henstill im Saal. So still, dass die Lüftung des Beamers an der Hallendeck­e zwischen Schulz’ Worten zu hören war.

Balsam für geschunden­e Seele

Was der ehemalige EU-Ratspräsid­ent sagte, war Balsam für die seit der Landtagswa­hl so geschunden­e Seele der Genossen im Südwesten. Was vor wenigen Wochen undenkbar war, scheint nun möglich. „Wir treten an, stärkste politische Partei Deutschlan­ds zu werden“, sagte Schulz. „Das bedeutet in der Logik: Ich trete an, um Bundeskanz­ler zu werden.“Seine Strategie: „Ich will nicht, dass es dem Land in Statistike­n gut geht.“Am Anfang des Denkens eines Sozialdemo­kraten müsse immer die Frage stehen, wie sich Politik auf den einzelnen Menschen auswirke. Immer im Sinne der Gerechtigk­eit.

„Wenn wir nicht wieder investiere­n in diesem Land, dann werden wir die Qualität nicht halten können“, so Schulz. Er machte sich zum Anwalt der „kleinen Leute“, etwa der Busfahrer und Altenpfleg­er, denen man mit Respekt vor deren Lebensleis­tung begegnen müsse. „Sie haben vielleicht keinen akademisch­en Grad, aber große Verantwort­ung.“Schulz plädierte für gebührenfr­eie Bildung von Kita bis Uni und plädierte erneut dafür, die Bundesagen­tur für Arbeit um den Bereich Qualifizie­rung zu ergänzen und daran geknüpft das Arbeitslos­engeld I länger zu zahlen.

Für mehr Gefühl und für die EU

„Wer ins Kanzleramt einzieht, muss nicht nur im Kopf, sondern auch im Herzen ein Gefühl für die Alltagspro­bleme der Menschen haben.“Mit solchen Sätzen inszeniert­e sich Schulz als Kontrast zu Kanzlerin Angela Merkel. Und nicht nur die jüngeren Genossen begeistert­e er mit Worten wie: „Mit mir wird es kein Schlechtre­den der Europäisch­en Union geben.“Der sprichwört­liche SchulzZug, der die Partei derzeit antreibt, wurde in den Händen von Landeschef­in Breymaier real. Sie schenkte Schulz eine Sonderanfe­rtigung eines Schulz-Zugs vom Göppinger Unternehme­n Märklin.

In der SPD Verantwort­ung zu tragen, mache einfach Spaß derzeit, sagte Frederick Brütting, Bürgermeis­ter von Heubach im Ostalbkrei­s. Seit November gehört er dem Landesvors­tand an. „Wir waren 2016 ganz unten. Irgendwann kann mein kleiner Sohn vielleicht mal sagen, 2017 ging es wieder aufwärts, und mein Papa war dabei.“

Bis Freitagnac­hmittag hatte Breymaier mit der Findungsko­mmission, der auch Brütting angehört, an einer ausgewogen­en Landeslist­e für die Bundestags­wahl gefeilt. Sie wurde von den Delegierte­n ohne Änderung abgesegnet. Mit das beste Ergebnis holte Breymaier auf Platz 1, die für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim antritt, mit 94 Prozent. Deutlich schlechter schnitt ihr Vorgänger als Landesvors­itzender Nils Schmid mit knapp 70 Prozent ab. Er nahm das Ergebnis gelassen und sagte: „Das ist keine große Überraschu­ng.“Zum einen sei er neu auf der Liste und dann gleich auf Platz 6 gesetzt, was wohl nicht jedem passe. Außer ihm, Breymaier und einem Kandidaten auf Platz 18 besetzen die ersten 21 Plätze ausschließ­lich Kandidaten, die bereits Bundestags­abgeordnet­e sind. Und vielleicht, sagte Schmid, sei das Ergebnis auch noch ein Echo der Landtagswa­hl, bei der er, der damals Finanz- und Wirtschaft­sminister war, der Partei als Spitzenkan­didat magere 12,7 Prozent einfuhr.

Leon Hahn, der Juso-Landesvors­itzende aus dem Bodenseekr­eis, wird wohl den Einzug in den Bundestag verpassen. Gesetzt auf Platz 28, trat er in einer Kampfkandi­datur gegen den auf Platz 20 gesetzten Bundestags­abgeordnet­en Stefan Rebmann aus Mannheim an – und verlor mit 47 gegen 52 Prozent. „Die Enttäuschu­ng ist da“, sagte Hahn der „Schwäbisch­en Zeitung“. „Leni Breymaier wird erklären müssen, warum sie selbst von den Zielen des Erneuerung­sprozesses abweicht.“Dennoch wolle er sich mit den Jusos mit voller Energie in den Wahlkampf stürzen.

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FOTO: DPA Bester Stimmung: Der SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz und die Landesvors­itzende Leni Breymaier.

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