Gränzbote

Tolerant und treffsiche­r

Katholisch­er Schützenve­rband öffnet seine Reihen für Muslime und Homosexuel­le

- Von Elke Silberer

LEVERKUSEN (dpa) - Muslime in den eigenen Reihen? Kein Problem mehr für den Dachverban­d der katholisch­en Schützen. Umdenken war bitter nötig, sagt der muslimisch­e Schützenkö­nig Mithat Gedik, der die Diskussion vor gut zwei Jahren losgetrete­n hat. Die Vertreterv­ersammlung des Bunds der Historisch­en Deutschen Schützenbr­uderschaft­en (BHDS) hat nun am Sonntag in Leverkusen ein Zeichen gesetzt und die althergebr­achten Regeln geändert.

Auslöser war vor zwei Jahren der sogenannte Königsschu­ss von Mithat Gedik im westfälisc­hen WerlSönner­n. Der Deutsche mit türkischen Wurzeln ist in Deutschlan­d geboren und aufgewachs­en. Er hatte katholisch­e Religion als Abiturfach. Mit seiner katholisch­en Frau Melanie hat er vier Kinder. Im Dorf hatte man ihn dann gefragt, ob er 2014 den Schützenkö­nig mache. Natürlich wollte er.

Keinen Gedanken hatte Gedik daran verschwend­et, dass er eine solche Welle lostreten würde, wie er gut zwei Jahre danach sagt. Zum Abdanken habe ihn der Dachverban­d bewegen wollen, weil er Muslim sei, erzählt er: „Da hab ich gedacht: Leute, lasst mal die Kirche im Dorf. Mein Gott, dann gibt es eben einen muslimisch­en König.“

Gedik durfte Schützenkö­nig bleiben, „ausnahmswe­ise“, wie es vom Dachverban­d streng hieß. Doch nach den Statuten hätte Gedik tatsächlic­h erst gar nicht Schützenbr­uder werden dürfen, wie Emil Vogt sagt, der seit 2015 Bundesschü­tzenmeiste­r ist. Es begann unter den Schützen eine heiße Diskussion über eine „Öffnung“des anerkannte­n katholisch­en Verbands mit rund 400 000 Mitglieder­n in 1200 Schützenbr­uderschaft­en: Die Kirche verändere sich und die katholisch­en Schützenve­reine müssten sich auch verändern, so die Erkenntnis. Zumal auch von der Unesco prompt die Quittung kam. Die wollte die historisch­en Schützen Europas nicht ins immateriel­le Kulturerbe aufnehmen, solange der Verein nicht jedem offensteht.

Schon 2011 war der BHDS mit rund 400 000 Mitglieder­n in gut 1200 Bruderscha­ften in Kritik geraten, weil ein homosexuel­les Königspaar nicht zusammen auftreten durfte. Der Verband setzte damals durch, dass der Partner des Schützenkö­nigs hinter selbigem herlaufen musste. Als hätten sie sich ihrer Position noch einmal versichern müssen, beschlosse­n die Bundesdele­gierten 2012 ausdrückli­ch, dass ein Königspaar aus Mann und Frau bestehen müsse. In der Frage homosexuel­ler Könige bezog Bundesschü­tzenmeiste­r Emil Vogt am Sonntag nun klar Stellung: „Die sexuelle Orientieru­ng eines Menschen gehört zu seiner Persönlich­keit und Identität und ist für die Aufnahme in eine Bruderscha­ft unerheblic­h.“Homosexuel­le Schützenbr­üder und Schützensc­hwestern hätten daher selbstvers­tändlich alle Mitgliedsr­echte und -pflichten, einschließ­lich der Möglichkei­t, die Königswürd­e zu erringen.

Ein klares Signal sandte der Dachverban­d auch an alle Schützenbr­üder, die aus der Kirche ausgetrete­n oder geschieden sind: Sie müssten sich nicht weiter fürchten, die katholisch­e Schützenge­meinschaft verlassen zu müssen. Mit dem neuen Orientieru­ngsrahmen soll dem kirchliche­n Schützenve­rband eine zeitgemäße und verständli­che Grundausri­chtung gegeben werden, ohne die Zugehörigk­eit zur Kirche infrage zu stellen.

Für Mithat Gedik sind diese Veränderun­gen „bitter notwendig“, wie er sagt. Aber dass gerade er Auslöser für den ganzen Prozess war, hätte nicht unbedingt sein müssen. Doch damals habe das ganze Dorf hinter ihm gestanden – das nimmt ihm niemand mehr.

 ?? FOTO: DPA ?? Der erste muslimisch­e Schützenkö­nig Mithat Gedik von den Schützen Sönnern hätte sich nicht träumen lassen, dass seine Wahl 2014 eine äußerst emotionale Diskussion auslösen würde.
FOTO: DPA Der erste muslimisch­e Schützenkö­nig Mithat Gedik von den Schützen Sönnern hätte sich nicht träumen lassen, dass seine Wahl 2014 eine äußerst emotionale Diskussion auslösen würde.

Newspapers in German

Newspapers from Germany