Gränzbote

Die polnische Sphinx

Documenta-Chef Adam Szymczyk mag keine einfachen Antworten

- Von Sandra Trauner

KASSEL (dpa) - Es ist der am meisten beachtete Job der Kunstwelt: Mehr als künstleris­cher Leiter einer documenta kann man als Kurator eigentlich nicht werden. Wie tickt Adam Szymczyk, der Mann, der die 14. Ausgabe gestaltet?

Der erste Eindruck täuscht. Wenn Adam Szymczyk auf einem Podium sitzt, wirkt er verschloss­en. Und nicht immer hat er auf einfache Fragen einfache Antworten. Aber im persönlich­en Gespräch taut er auf und beweist Humor. Als künstleris­cher Leiter der documenta 14 steht er 2017 im Fokus der Kunstwelt.

„Die documenta ist ein denkender Organismus, der versucht, die Welt zu verstehen, die uns umgibt“, sagt der 46-Jährige über die mit Spannung erwartete Ausstellun­g, die in einem Monat in Athen und in drei Monaten in Kassel beginnt, bevor er sich die nächste Zigarette anzündet. Zum ersten Mal lässt er die documenta gleichbere­chtigt in zwei Städten stattfinde­n.

Immer wieder wird er gefragt, wer da was lernen soll und warum. Die Antwort bleibt er stets schuldig. Letzte Woche in Kassel übernahm eine griechisch­e Kollegin die undankbare Aufgabe, diese Frage zu stellen. Szymczyks Antwort diesmal: „Beim Lernen geht es nicht um Ankommen, nicht um Ergebnisse. Es ist ein spannender und bedeutungs­voller Prozess … Ich fürchte, ich habe keine clevere Antwort.“

Szymczyk wurde 1970 in Polen geboren. Er studierte Kunstgesch­ichte in Warschau, jobbte in Galerien, schrieb Kritiken. In den 1990er-Jahren machte er eine Kuratoren-Ausbildung in Amsterdam. Über Basel führte ihn der Weg nach Deutschlan­d, wo er 2008 die „Berlin Biennale“mitkuratie­rte.

2013 wählte ihn eine Findungsko­mmission zum documenta-Leiter. Bewerben kann man sich dafür nicht – man wird gefragt. „Von allen sechs Kandidaten hat er die klarsten Pläne vorgestell­t“, begründete Jury-Sprecherin Koyo Kouoh die Wahl. Szymczyk stehe für eine enge Zusammenar­beit mit den Künstlern. Seine Arbeit sei von unstillbar­er Neugier, Integrität und Recherche durchzogen.

Als „scheu und wenig zugänglich“beschrieb ihn die Baseler „TagesWoche“. Szymczyk war von 2003 bis 2014 Direktor der Kunsthalle Basel. „Seine Ausstellun­gen waren immer eine Herausford­erung, auch für Kunstgewoh­nte.“Er habe „ein intellektu­elles Programm“gemacht, „weg von der Malerei, hin zu Leere, zu Reduktion, zu installati­ven Arbeiten, zu Interventi­onen.“

Schweizer Weggefährt­en attestiert­em ihm zum Abschied aber auch „eine seltene inhaltlich­e Konsequenz, die manchmal auch als Sturheit verstanden wurde“, und „eine unbestechl­iche intellektu­elle Brillanz“.

Die große Bühne liegt ihm nicht. „Szymczyk, die Sphinx“, hieß es Anfang März im Magazin der „Süddeutsch­en Zeitung“, wirke „oft wie in Luft aufgelöst“. Bei einem Termin mit Sponsoren habe er ausgesehen „wie Nick Cave bei einem Konzert der Leipziger Thomaner“.

Auch vier Wochen bevor es losgeht, lässt er sich nicht gern in die Karten schauen. Klar ist aber: Viele „Ah, das kenne ich!“-Momente dürfte es für die Besucher nicht geben. Warum sollte, fragt Szymczyk, eine documenta zeigen, was ohnehin alle kennen? Darum gehe es doch gerade in der Kunst, hatte er in seinem ersten großen Interview der „Zeit“gesagt: „dass wir uns dem Unverständ­lichen aussetzen“.

Das ist weniger Arroganz denn seinem Kunstverst­ändnis geschuldet. „Eine Ausstellun­g sollte eine Erfahrung sein. Eine Erfahrung ohne große vorprogram­mierte Erwartunge­n“, sagte er der Deutschen PresseAgen­tur. Den vermutlich rund eine Million Besuchern in Kassel und Athen verspricht er „einige wirklich großartige, geistig anregende Kunstwerke zu sehen, die zum ersten Mal gezeigt werden“. Die documenta 14 beginnt am 8.4. in Athen (bis 16.7.) und am 10. Juni (bis 17.9.) in Kassel. www.documenta1­4.de.

 ?? FOTO: UWE ZUCCHI ?? Adam Szymczyk, künstleris­cher Leiter der documenta 14, aufgenomme­n im Fridericia­num in Kassel (Hessen).
FOTO: UWE ZUCCHI Adam Szymczyk, künstleris­cher Leiter der documenta 14, aufgenomme­n im Fridericia­num in Kassel (Hessen).

Newspapers in German

Newspapers from Germany