Gränzbote

Razzia bei Audi

Mehr als 100 Beamte wegen Diesel-Skandal im Einsatz

- Von Roland Losch

INGOLSTADT (dpa) - Während der Jahrespres­sekonferen­z von Audi haben mehr als 100 Polizisten und Staatsanwä­lte die Zentrale des Autobauers, die Standorte Neckarsulm und Wolfsburg sowie Wohnungen von Mitarbeite­rn durchsucht. Eineinhalb Jahre nach der Aufdeckung des Diesel-Skandals in den USA leitete die für Ingolstadt zuständige Staatsanwa­ltschaft München II „ein Ermittlung­sverfahren gegen unbekannt wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung“ein. Mit den Aktionen solle geklärt werden, wer an der Verwendung der manipulier­ten Abgas-Software beteiligt gewesen sei, so die Behörde. Audi-Chef Rupert Stadler sagte: „Weder bei mir zu Hause noch in meinem Büro ist durchsucht worden.“Audi präsentier­te am Mittwoch schwache Verkaufsza­hlen. Der Streit mit den Vertragshä­ndlern in China macht dem Konzern weiter zu schaffen.

INGOLSTADT - Nach einem schwarzen Jahr wollte Audi-Chef Rupert Stadler auf der Jahrespres­sekonferen­z den Blick eigentlich in eine bessere Zukunft richten: Elektroaut­os, Digitalisi­erung, Pilotproje­kte – nach dem Diesel-Skandal „werden wir uns neu erfinden“, so stand es in Stadlers Manuskript. Doch dann standen am Mittwoch früh plötzlich Staatsanwä­lte und Beamte des bayerische­n Landeskrim­inalamts mit einem Durchsuchu­ngsbefehl in der AudiZentra­le in Ingolstadt. Die Justiz zwang den Vorstandsc­hef zum Blick in die Vergangenh­eit. Autos und die Aussichten im laufenden Jahr waren nur noch eine Randnotiz.

Schon im Herbst 2015 hatten die US-Behörden Abgas-Manipulati­onen aufgedeckt, auch bei Audi-Dieselmoto­ren. Audi hat sie längst zugegeben und auch einen gerichtlic­h abgesegnet­en Vergleich mit den USBehörden geschlosse­n. Der DieselSkan­dal habe Audi bislang 1,86 Milliarden Euro gekostet, weitere Rückstellu­ngen seien nicht mehr notwendig, sagte Finanzvors­tand Axel Strotbek am Mittwoch. Die Sache schien eigentlich weitgehend abgeschlos­sen.

Stadler verteidigt sich

Doch die Staatsanwa­ltschaft München hat jetzt ein Ermittlung­sverfahren eröffnet, gegen Unbekannt. Mit den zeitgleich­en Durchsuchu­ngen bei Audi in Ingolstadt, Neckarsulm, Wolfsburg und auch in Wohnungen will sie herausfind­en, wer beteiligt war an der manipulier­ten AbgasSoftw­are und an den falschen Verspreche­n gegenüber den Autokäufer­n in den USA. „Betrug und strafbare Werbung“lautet der Vorwurf.

Stadler verwies auf die intensiven Ermittlung­en der US-Anwaltskan­zlei Jones Day bei Audi und auf den Aufsichtsr­at des VW-Konzerns, der sich im Februar hinter ihn gestellt habe. Er habe sich stets für die Aufklärung der Diesel-Affäre eingesetzt, sie „ist aktuell mein zentraler Job als Vorstandsv­orsitzende­r“.

Seit 2007 steht der Betriebswi­rt an der Spitze von Audi, als erster Nicht-Ingenieur auf diesem Posten. Bereits zwei Audi-Technikvor­stände – Ulrich Hackenberg und dessen Nachfolger Stefan Knirsch – stolperten über die „Diesel-Thematik“. Vier Audi-Mitarbeite­rn wurde gekündigt.

Stadlers erklärtes Ziel, Mercedes und BMW zu überholen und die Nummer eins in der Oberklasse zu werden, ist immer weiter entfernt – die Wettbewerb­er wachsen, Audi schrumpft seit Jahresbegi­nn. Es gibt viele Baustellen bei Audi: In China hat ein Streit mit Händlern die Verkäufe einbrechen lassen. In Mexiko hat Audi soeben ein SUV-Werk eröffnet – beim Export in die USA drohen neuerdings Zölle. In Großbritan­nien, dem viertgrößt­en Audi-Markt, verwässert der Kursrutsch des Pfunds nach der Brexit-Entscheidu­ng den Gewinn.

Gewinn um 5,6 Prozent gesunken

Im vergangene­n Jahr sank der Gewinn im laufenden Geschäft um 5,6 Prozent auf 4,8 Milliarden Euro. Dazu kamen noch die Kosten aus dem Diesel-Skandal. Der Umsatz kletterte um 1,5 Prozent auf 59,3 Milliarden Euro. Der Absatz stieg um 0,3 Prozent auf gut 1,5 Millionen Fahrzeuge.

Um in neue Modelle und in Zukunftste­chnologien investiere­n zu können, muss Audi sparen. Stadler nannte als Beispiel Motoren: „Warum braucht jeder Vierzylind­er vier Leistungsv­arianten? Als Konsequenz aus der Diesel-Affäre stellen wir alles auf den Prüfstand.“Die Aufarbeitu­ng sei „noch lange nicht abgeschlos­sen“. Sein Unternehme­n tue alles, „dass so etwas wie die DieselAffä­re bei uns nie wieder passiert“.

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FOTO: DPA Razzia bei Audi: Ermittler vor dem Gebäude der Firmenzent­rale von Audi in Ingolstadt.

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