Gränzbote

Land verliert Prozess um Holzverkau­f

Gericht untersagt dem Land jede Betätigung in privaten oder kommunalen Wäldern

- Von Katja Korf

Das Land Baden-Württember­g darf in privaten und kommunalen Wäldern weder Förster einsetzen noch Holz daraus verkaufen (Foto: colourbox). Diese Entscheidu­ng hat am Mittwoch das Oberlandes­gericht Düsseldorf verkündet. Das seit Jahrzehnte­n praktizier­te Modell des Einheitsfo­rstamtes verstoße gegen EU-Wettbewerb­srecht. Damit drohen Förstern, Waldarbeit­ern und Waldbesitz­ern große Veränderun­gen. Agrarminis­ter Peter Hauk (CDU) kündigte an, das Urteil „keinesfall­s zu akzeptiere­n“. Über den Gang vor den Bundesgeri­chtshof entscheide­t die Ministerru­nde.

STUTTGART - Die Forstverwa­ltung in Baden-Württember­g steht vor einem völligen Umbruch. Das Oberlandes­gericht Düsseldorf hat am Mittwoch entschiede­n: Das Land darf für private und kommunale Waldbesitz­er weder Holz vermarkten noch deren Forst bewirtscha­ften. Landwirtsc­haftsminis­ter Peter Hauk (CDU) will seinen Ministerko­llegen empfehlen, gegen das Urteil Revision einzulegen und vor den Bundesgeri­chtshof zu ziehen. Doch auch wenn das Urteil damit noch nicht rechtskräf­tig ist, muss das Land rasch vieles ändern.

Der Richterspr­uch aus Düsseldorf kam nicht überrasche­nd, doch er geht weiter, als die meisten Experten erwartet hatten. In dem Streit standen sich das Land und das Bundeskart­ellamt gegenüber. Die Wettbewerb­shüter hatten das Modell des Einheitsfo­rstamtes in Baden-Württember­g infrage gestellt. Dieses funktionie­rt so: Förster bei den Landkreise­n sind zuständig für alle Arten von Wald, egal, wer ihn besitzt. Gemeinden und Körperscha­ften gehört mit 39 Prozent der Großteil. 36,5 Prozent sind in privater Hand. Weitere 24 Prozent sind in Landesbesi­tz.

Richter sehen Wettbewerb­svorteil

Revierleit­er und Förster verlangen von Kommunen und Privaten Gebühren, die aber nicht kostendeck­end sind. Außerdem vermarktet­e der Eigenbetri­eb des Landes, ForstBW, bis 2015 das Holz für jeden, der dies wünschte. Nach einem ersten Einschreit­en der Wettbewerb­shüter trennte man den Holzverkau­f vom Rest der Aufgaben. Eigens eingericht­ete Holzverkau­fsstellen der Landratsäm­ter übernahmen diesen.

Das geht den Düsseldorf­er Richtern nicht weit genug. Aus ihrer Sicht benachteil­igt das Modell andere Wettbewerb­er. Das Land verschaffe sich Vorteile, weil es große Mengen Holz von Kommunen, Privaten und eigenem Forst verkaufen könne. Außerdem wisse es durch die Bewirtscha­ftung eines Großteil des Forstes, wann welche Holzmengen auf den Markt kommen. Dieses Wissen sei ein Vorteil gegenüber privaten Holzverkäu­fern. Die Richter untersagen deshalb jede Art der forstwirts­chaftliche­n Tätigkeit durch das Land.

Agrarminis­ter Hauk nannte diese Argumentat­ion „realitätsf­ern und abstrus“. Das Gericht vernachläs­sige völlig, dass der Wald viel mehr sei als ein Wirtschaft­sfaktor. Außerdem warf er den Richtern vor, deutsches Recht übergangen zu haben: „Ich frage mich, von wem die Richter bezahlt werden, ob vom Oberlandes­gericht Düsseldorf oder direkt von der Europäisch­en Union.“Er will seinen Ministerko­llegen vorschlage­n, vor den Bundesgeri­chtshof zu ziehen. Auch der Weg vor den Europäisch­en Gerichtsho­f sei unter Umständen sinnvoll. Damit könnte sich der Streit jahrelang hinziehen.

Jahrelange Unsicherhe­it

Während CDU, Grüne und der Bund Deutscher Forstleute Hauks Vorgehen begrüßen, ist der Waldbesitz­erverband zurückhalt­ender. „Es ist schon die Frage, ob ein Zug durch die Instanzen zielführen­d ist“, sagte dessen Geschäftsf­ührer Jerg Hilt. Zwar sei es für alle schmerzhaf­t, die bewährte Zusammenar­beit mit den Revierleit­ern vor Ort aufzugeben. Aber eine weitere jahrelange Unsicherhe­it bringe weder die Waldbesitz­er noch die Beschäftig­ten des Landes weiter. Ähnlich äußerte sich die FDP.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräf­tig. Dennoch muss Hauk bereits jetzt Konsequenz­en daraus ziehen. Der Grund: Bestätigen alle höheren Instanzen den Spruch aus Düsseldorf, hätten Holzhändle­r Schadeners­atzansprüc­he an das Land. Sie könnten argumentie­ren, durch die Wettbewerb­sbeschränk­ungen seien ihnen Gewinne entgangen. Bis zu 20 Millionen Euro pro Jahr dürften nach Hauks Berechnung­en seit 2015 einklagbar sein.

Deshalb will er rasch eine öffentlich-rechtliche Anstalt gründen. Sie soll sich nur um staatliche Wälder kümmern. Damit wäre die vom Gericht geforderte Trennung vollzogen.

Die Landkreise sind wenig begeistert von Hauks Plänen. „Ich halte diesbezügl­iche Entscheidu­ngen zum jetzigen Zeitpunkt für verfrüht“, sagte Landkreist­ags-Präsident Joachim Walter (CDU). Der Grund: Es bleibt weiter unklar, was mit jenen Mitarbeite­rn der Forstverwa­ltung passiert, die derzeit hauptsächl­ich für Private und Kommunen arbeiten. Das sind laut Landkreist­ag rund 780 Stellen. Die Betroffene­n würden wohl nicht entlassen, müssten aber in andere Verwaltung­sbereiche wechseln.

Wer künftig Ansprechpa­rtner für private und kommunale Waldbesitz­er sein wird, ist noch nicht klar. Das soll nun in Gesprächen mit allen Beteiligte­n geklärt werden. Bis auf Weiteres bleiben die Revierleit­er wie gehabt erste Anlaufstel­le.

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ARCHIVFOTO: ROLAND RASEMANN Hier hat das Land bald nichts mehr zu sägen: Waldarbeit­er im Stadtwald von Leutkirch.

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