Gränzbote

Ein Impuls aus Tuttlingen für Berlin

Grüne Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger nimmt die Basis ernst

- Von Christian Gerards

Grüne Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger nimmt die Basis ernst.

TUTTLINGEN - Über die „Friedenspo­litik in unsicheren Zeiten“hat die Ravensburg­er Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger am Dienstagab­end auf Einladung des grünen Tuttlinger Kreisverba­nds im Tuttlinger „Engel“gesprochen. Dabei nahm sie auch eine Anregung von Kreisund Stadtrat Hans-Martin Schwarz für den anstehende­n Bundestags­wahlkampf auf.

Vieles drehte sich am Dienstagab­end um den Wunsch der US-Amerikaner, dass die Nato-Partner bis zum Jahr 2024 zwei Prozent ihres Bruttoinla­ndsprodukt­s für die Verteidigu­ng ausgeben sollten. Darauf hatten sich die Partner auch vor wenigen Jahren verständig­t. Naturgemäß stößt das bei den Grünen auf Unverständ­nis. Daher, so betonte Hans-Martin Schwarz, müsste Bündnis 90/Die Grünen das zum Thema im anstehende­n Wahlkampf für die Bundestags­wahl im Herbst machen. Denn: „Wir werden eh derzeit zu wenig wahrgenomm­en.“Aktuell sind es rund 1,2 Prozent vom Bruttoinla­ndsprodukt, die die Bundesregi­erung für das Bundesmini­sterium für Verteidigu­ng vorhält – immerhin etwas mehr als 31,1 Milliarden Euro.

„Unter einem Prozent“

Und als Partei, die sich seit jeher mit Auslandsei­nsätzen der Bundeswehr schwer tue und in jedem Einzelfall abwäge, könne man das laut Schwarz leicht zum Thema machen: „Das muss unter einem Prozent werden“, meinte Schwarz. Agnieszka Brugger, die die Sprecherin für Sicherheit­spolitik und Abrüstung der grünen Bundestags­fraktion ist, sprang darauf sofort an. Das sei eine griffige Forderung, die sie gerne mit nach Berlin nehme, ganz nach dem Motto: „Dafür habe ich Rückenwind aus Tuttlingen“, wie sie mehrfach betonte. Überhaupt sei sie eh für diesen Ansatz.

Denn mit dem Zwei-Prozent-Ansatz würden in Deutschlan­d 60 Milliarden Euro pro Jahr für die Verteidigu­ng zur Verfügung gestellt werden. Allein zur Eindämmung der Hungerkata­strophe in Afrika, vor allem im Südsudan, müsste die Weltgemein­schaft im Vergleich dazu lediglich vier Milliarden Euro aufbringen. Doch dafür sei die Bereitscha­ft allerdings nicht vorhanden. Und das, obgleich der deutsche Verteidigu­ngshaushal­t in den vergangene­n Jahren in etwa um diese Zahl gestiegen sei. Sie wundere sich, dass die Bevölkerun­g so hohe Ausgaben für die Rüstung hinnehmen würde. Das Geld würde an anderer Stelle, etwa für die Infrastruk­tur, fehlen.

Zitat von Astrid Lindgren

Die Bundestags­abgeordnet­e umriss in ihrem Vortrag die aktuell wichtigen internatio­nalen Krisen – von Syrien und Afghanista­n über Russland bis zur Türkei. Doch sie dämpfte gleich die Erwartunge­n der etwa 25 Zuhörer: „Wir als Grüne werden die Probleme der Welt nicht lösen.“Dabei zitierte sie einen Satz der schwedisch­en Schriftste­llerin Astrid Lindgren, den sie bei der Verleihung des Friedenspr­eises des deutschen Buchhandel­s im Jahr 1978 gesagt hatte: „Über den Frieden sprechen heißt ja, über etwas sprechen, das es nicht gibt.“Frieden sei mehr als die Abwesenhei­t von Gewalt zeigte sich Brugger überzeugt. Darum müsse man sich „Tag für Tag bemühen“.

Im Bezug auf die Spannungen mit der Türkei nach dem aktuellen NaziVergle­ich vom türkischen Staatspräs­identen Recep Tayyip Erdogan würde Brugger die Stimme der Bundesregi­erung fehlen: „Ich habe das Gefühl, dass wir unsere eigenen Werte verraten“, sagte sie. Daher plädierte sie auch für einen Abzug der Bundeswehr vom deutschen Luftwaffen­stützpunkt Incirlik in der Türkei.

Die Grünen sollten laut Brugger dafür kämpfen, dass das Geld in zivile Kräfte investiert wird, um gesellscha­ftliche Strukturen in den Krisenländ­ern aufzubauen. Denn: Ohne diese wäre jede militärisc­he Interventi­on wenig sinnvoll – das hätten etwa auch die Soldaten, die in Afghanista­n im Einsatz seien, realisiert. Es sei erstaunlic­h, dass derzeit 3200 Soldaten im Ausland im Einsatz seien, aber nur 200 Polizisten: „Ein Militärein­satz kommt immer dann, wenn man im Vorfeld etwas verpasst hat“, appelliert­e Brugger. Die Grünen müssten Alternativ­en aufzeigen.

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FOTO: CHRISTIAN GERARDS
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FOTO: CHRISTIAN GERARDS Die Bundestags­abgeordnet­e Agnieszka Brugger spricht im Tutlinger „Engel“auf Einladung des grünen Kreisverba­nds.

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