Gränzbote

Mit Humor gegen den Hass

Der Syrer Firas Alshater ist mit Filmen auf Youtube zum Star geworden

- Von Katrin Seglitz er

RAVENSBURG - Firas Alshater ist ein syrischer Filmemache­r. 2013 kam er nach Deutschlan­d mit Filmszenen aus Syrien im Gepäck. Sein Kollege Tamer Alawam war kurz vor dem Ende der Dreharbeit­en von „Syria Inside“durch einen Granatspli­tter in Aleppo ums Leben gekommen. Jan Heilig, Produzent des syrisch-deutschen Filmprojek­tes, fragte Firas Alshater, ob er die noch fehlenden Szenen drehen und nach Deutschlan­d bringen könne.

Leben und Leiden in Damaskus

Alshater sagte zu und kam. Nachdem die dreimonati­gen Arbeiten an dem Film beendet waren, beantragte er Asyl und lebt seitdem in Berlin. So genau, wie er in Syrien hingeschau­t hat, so genau ist sein Blick auch auf Deutschlan­d. Die Situatione­n, in die ein Flüchtling in Deutschlan­d geraten kann, stellt er mit Humor dar – und das ist das Besondere an ihm.

Seine Erkenntnis: „Es ist besser, Hass mit Humor zu bekämpfen. Wenn du Hass mit Hass bekämpfst, erntest du nur Hass.“Seine Kurzfilme, die auf Youtube zu sehen sind, tragen den Titel „Zukar“, was Zucker bedeutet. Als er sein erstes „Zukar“Stück veröffentl­ichte, hatte er innerhalb weniger Tage Millionen Klicks und die ersten Anfragen von Verlagen. Er habe nicht vorgehabt, vor seinem 50. Lebensjahr ein Buch zu schreiben, sagt er, aber weil sich die Gelegenhei­t bot, habe er zugesagt.

Und da ist es nun: Auf dem Cover läuft ein vollbärtig­er Mann lachend auf den Betrachter zu, die Schnurrbar­thaare zu freundlich­en Kringeln nach oben gedreht, um den Hals eine Kette mit einem metallenen Bartkamm. Gut lesbar auf dem dunklen T-Shirt der Buchtitel: „Ich komm auf Deutschlan­d zu. Ein Syrer über seine neue Heimat.“

Die Veröffentl­ichung ist Grund für eine Lesereise, die ihn auch nach Ravensburg und Tuttlingen führt. Im Rahmen eines lockeren Gesprächs mit Martin Riethmülle­r von Ravensbuch zeigte Firas Alshater kurze Filme und las Ausschnitt­e aus seinem Buch. Der erste Film zeigte, dass das Leben in Damaskus kein Zuckerschl­ecken ist.

Man hört und sieht einen Kampfhubsc­hrauber. So beginnt ein Tag in Damaskus. Deutsche Untertitel übersetzen den arabischen Kommentar: „Er tötet unsere Tage und die Hoffnung auf den neuen Tag.“Als Alshater in Deutschlan­d zum ersten Mal einen Hubschraub­er hörte, war die Angst sofort wieder da, erzählt er. Bis er erleichter­t feststellt­e, dass es sich um einen Krankentra­nsport vom Roten Kreuz handelte.

Der Film zeigt Bilder von einem Basar, man sieht Säcke mit Gewürzen und Zimtstange­n, Wäsche, die auf einer Leine trocknet – und dann ein schreiende­s, sterbendes Kind. Kommentar: „Jeden Tag verliert Damaskus viele seiner Kinder.“Szenen in Damaskus wechseln mit Szenen in Deutschlan­d, das ist ein Prinzip auch seines Buchs, in dem von Pegida und Rechtsradi­kalen ebenso die Rede ist wie von den Kämpfen in Damaskus.

Der Blick auf Deutschlan­d

Alshater wurde 1991 in Damaskus geboren, wollte Schauspiel­er werden und übte für die Aufnahmepr­üfung, als er zum ersten Mal ins Gefängnis kam. Er hatte sich an Demonstrat­ionen gegen das Assad-Regime beteiligt, unter anderem als Wortführer mit Megafon. Er wurde geschlagen und gefoltert, die Narbe, die eine seiner Augenbraue­n teilt, zeugt von den brutalen Stockschlä­gen. Elektrosch­ocks zerstörten Gewebe, was ihn befürchten lässt, dass er nie Vater werden kann.

Trotzdem hat er seinen Humor nicht verloren. Kurzweilig erzählt er von seiner ersten Begegnung mit deutschen Polizisten und ihrer Forderung nach seinen Papieren. „Papiere“, so stellt er fest, „sind wichtiger als Menschen.“Und er reimt: „Hast du kein Papier, so bist du gar nicht hier.“Alshater ist hier, er hat Papiere und studiert inzwischen in Babelsberg an der Filmhochsc­hule.

Auf die Frage, wie es ihm gelinge, trotz der Kriegserfa­hrungen so aktiv und lebenszuge­wandt zu sein, sagt Firas Alshater: „Morgen und gestern kann ich nicht verändern, ich versuche, das Beste aus dem Heute zu machen.“Das gelingt ihm auf eindrucksv­olle Weise. Warum er trotz Folter seinen Humor nicht verloren hat, erzählt Firas Alshater im Video auf www.schwäbisch­e.de/ firas-alshater. Heute Abend ist um 19 Uhr in Tuttlingen im Jugendkult­urzentrum zu Gast.

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FOTO: KARIN GEUPEL „Ich versuche das Beste aus dem Heute zu machen“, sagt Firas Alshater. Der syrische Filmemache­r, der in seiner Heimat gefoltert wurde, lebt inzwischen in Deutschlan­d.

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