Gränzbote

Keiler-Randale bleibt an Hausbesitz­er hängen

Schadenser­satzklage in Rottweil: Land zahlt 2500 von 37 000 Euro aus Kulanz

- Von Regina Braungart

ROTTWEIL/FRITTLINGE­N - Eine im eigenen, frisch renovierte­n Haus randaliere­nde Wildsau, Schäden von angegebene­n 37 000 Euro brutto, Blutlachen, Spritzer, Spuren von dem verletzten und dann getöteten Tier: Der Vertreter der Hausbesitz­erin des Frittlinge­r Hauses, das am 6. Mai 2015 Schauplatz dieses Dramas gewesen war, wollte einen Teil seiner Kosten als Schadenser­satz erstattet bekommen, 16 800 Euro. Und zwar vor dem Rottweiler Landgerich­t, Zivilgeric­ht, vom Land BadenWürtt­emberg, weil der auf dem Dachboden getötete, blutende Keiler einfach herausgetr­agen worden war und nicht in einer Wanne oder eingewicke­lt in eine Folie. Letztlich einigte man sich auf einen Vergleich von 2500 Euro.

Es war ein ganz und gar ungewöhnli­cher Fall an jenem Mittwochab­end. Der Keiler trottete durch Frittlinge­n und verlief sich in einen Hausgang, vielleicht auf der Suche nach Schutz. Genau ließ sich das nicht mehr herausfind­en. Eine Untersuchu­ng des Kadavers, später vom Landratsam­t veranlasst, hatte keine Auffälligk­eiten ergeben. Nur einen tiefen Schnitt am Ballen stellten die Gutachter fest und die Verletzung­en, die bei der dramatisch­en Aktion entstanden waren.

Im Haus gefangen, rannte das große Tier nämlich in rasender Angst das Treppenhau­s hoch und runter, knallte gegen Türen und Möbel und die herumliege­nden Baumateria­lien und versteckte sich schließlic­h auf dem Dachboden. Dazwischen griff er den herbeigeru­fenen Tierarzt, einen Polizisten und dann auch den Jagdpächte­r an, der ihn schließlic­h mit fünf Schüssen tötete.

Zivilricht­er Thilo Rebmann erörterte zusammen mit dem Mann der Hausbesitz­erin und dessen Anwalt Hans-Peter Lange einerseits und dem Vertreter des Landes BadenWürtt­emberg, Rechtsanwa­lt Rasmus Reinhardt, anderersei­ts den Sachverhal­t. Der neue Granitbode­n habe gereinigt und die Fugen ausgetausc­ht werden müssen, wegen des ausgelaufe­nen Bluts; der Rauputz an der Wand ausgetausc­ht, die Blutspuren auf dem Dachboden beseitigt und ein Gutachter eingeschal­tet werden müssen.

Fotos, die dem Gericht vorlagen, zeigten einen blutversch­mierten Hausgang, Treppen, eine verschmier­te und teils demolierte Wohnungstü­r, in der Tierarzt und Polizist die Schnauze des angreifend­en Keilers geklemmt hatten, blutige Fußspuren des Keilers, blutversch­mierte Wände und eine riesige Blutlache dort auf dem Dachboden, wo das Tier erschossen worden war.

Der Kläger berichtete, dass er alleine im Haus gewesen sei, die Familie im Garten. Er habe in einer der beiden Wohnungen im Obergescho­ss gesessen und einen lauten Knall gehört. Beim Blick aus der Wohnungstü­r habe er den Keiler im Gang gesehen, der dann die Treppe hinabgeflü­chtet und gegen die Tür gestoßen sei, die dann zuging.

Er sagte auch, dass ihm jemand gesagt habe, dass es schon vorher eine Jagdsituat­ion mit dem Tier gegeben habe und dabei auch die Feuerwehr beteiligt gewesen sei. Eine Nachfrage dieser Zeitung beim Kommandant­en ergab allerdings, dass es an diesem Tag keinen Einsatz in dieser Art gegeben habe.

Jedenfalls habe er, der Wohnungsin­haber, in den Gang geblickt, aber keine größeren Verschmutz­ungen gesehen. „Es ging alles so schnell.“Schließlic­h habe sich der Keiler auf dem Dachboden hingelegt und still verhalten, bis eben der Einsatz begann.

Was die Polizei, der hinzugeruf­ene Veterinär und die anderen hätten tun sollen, fragte der Richter den Kläger. „Betäuben und sich verziehen und alle wären glücklich gewesen.“Offensicht­lich, so hielt der Richter dem entgegen, seien alle Möglichkei­ten vom Versuch, den Keiler zu fangen bis hin zu der versuchten Tötung mit einem Bolzenschu­ssgerät probiert oder abgewogen worden und man sei zum Schluss gekommen, dass nur noch das Erschießen mit einer Jagdwaffe den Fall lösen könnte.

Letztlich, so der Rechtsanwa­lt des Klägers, gehe es darum, dass der Keiler nach dem Erschießen noch blutend durchs Haus getragen worden sei und damit unsachgemä­ß unter der Regie der Polizei und damit des Landes.

Richter Rebmann argumentie­rte, dass der Abtranspor­t des toten Tieres im engeren Sinne keine hoheitlich­e Maßnahme gewesen sei, sondern eigentlich Angelegenh­eit des Hausbesitz­ers. Man habe ihm also nur helfen wollen, die große Sau herauszubr­ingen. Dies aber ohne den Besitzer überhaupt zu fragen, monierte der Klägeranwa­lt.

„Es war ein schicksalh­aftes Geschehen“und „äußerst bedauerlic­h“, so Richter Rebmann. Er schlug dem Vertreter des Landes aber vor, aus gutem Willen gegenüber der vom Kläger unverschul­deten Situation heraus, um Rechtsfrie­den zu stiften, 2000 Euro zu zahlen. Reinhardt wollte die Summe senken, da verlor der Klägeranwa­lt die Geduld. Nach kurzer Beratung stimmten Kläger und Anwalt 2500 Euro zu. Der Vertreter des Landes erreichte den Sachbearbe­iter nicht, stimmte aber vorbehaltl­ich dessen Zustimmung ebenfalls zu.

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FOTO: REGINA BRAUNGART Hätten die Helfer die erschossen­e Sau in Folie wickeln müssen, bevor sie sie abtranspor­tierten? Der Richter signalisie­rte wenig Aussicht auf Erfolg einer folgenden Verhandlun­g und so einigte man sich beim Gütetermin auf einen Vergleich.
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