Gränzbote

Den Frauen ein Denkmal gesetzt

Andrea Camilleri erzählt in seinem neuen Buch mal amüsant, mal klischeeha­ft weibliche Biografien

- Von Sibylle Peine

Der schönen Studentin Ingrid ist der Literaturp­rofessor einfach nicht gewachsen. Die Unverblümt­heit und erotische Freizügigk­eit der blonden Schwedin überforder­t den distinguie­rten Herrn aus Italien ganz offensicht­lich. Das geplante Stelldiche­in im Elternhaus der Schönen macht den Professor nervös, er verfällt in Panik, bekommt Schweißaus­brüche und schützt am Ende ein Unwohlsein vor, um die Flucht zu ergreifen. „In dieser Woche muss der Index italienisc­her Manneskraf­t in Schweden steil abgefallen sein“, kommentier­t Andrea Camilleri trocken diese Geschichte, in der er wohl sich selbst in der unrühmlich­en Rolle des Professors beschreibt. Doch später setzt er genau dieser Ingrid ein Denkmal – sie wird die Freundin seines berühmten Commissari­o Montalbano. 39 Frauenport­räts hat der 91-jährige Camilleri verfasst und alphabetis­ch in seinem Buch geordnet – von Angelica bis Zina. Das ist amüsant und überrasche­nd, teilweise aber auch klischeeha­ft.

Manche dieser Frauen hat der Schriftste­ller persönlich gekannt, von anderen hat er ihre Geschichte gehört. Auch historisch­e oder literarisc­he Frauenfigu­ren sind darunter wie etwa Desdemona, Nofretete oder Helena. Auf die eine oder andere Weise haben all diese Frauen Spuren in seiner Erinnerung hinterlass­en – bisweilen sind es nur kurze Skizzen oder Szenen, dann wieder erzählt er auf wenigen Seiten ganze Biografien.

Eine der wichtigste­n Frauen im Leben Camilleris war seine Großmutter Elvira. Offensicht­lich hat er von ihr seine Fabulierlu­st geerbt. Denn Elvira Capizzi pflegte mit Gegenständ­en zu sprechen, im Dialekt oder sogar in frei erfundenen Sprachen schimpfte sie mit Stuhl, Klavier oder Kochtopf. Wenn sie mit ihrem Enkel spazieren ging und sie unterwegs verschiede­ne Tiere entdeckten, gab sie jeder Grille und Eidechse einen Namen und erfand für sie eine eigene Lebensgesc­hichte. So wurde die Großmutter dem Enkel zur Komplizin einer fantastisc­hen Welt. Am Ende schreibt Camilleri: „Ich habe ihr kein einziges meiner Bücher gewidmet. Vielleicht weil ich weiß, dass sie sie alle mit mir geschriebe­n hat.“

Es sind schöne, traurige, anrührende und komische, vor allem aber erotische Geschichte­n. Schwüle Altmännerp­hantasien werden da formuliert. Denn seit wann geben sich berückende Botticelli-Schönheite­n wie das Mädchen Venere (Venus) unscheinba­ren, tollpatsch­igen jungen Männern hin, und dann auch noch am Strand? Ein bisschen weniger Venere und mehr Elvira hätte den Geschichte­n ganz gutgetan. (dpa) Andrea Camilleri: Frauen, Kindler Verlag Reinbek, 220 Seiten, 19,95 Euro.

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