Gränzbote

Die Macht des Glaubens

- Von Welf Grombacher

Jedes Jahr an Ostern fahren die Mitglieder der kleinen Londoner Kirchengem­einde zur stillen Einkehr an den rauen Küstenstre­ifen, den die Einheimisc­hen nur „The Loney“nennen. Buße wollen sie in der menschenle­eren Gegend tun, zueinander finden und in der alten Wallfahrts­kirche beten für Hanny, einen stummen Jugendlich­en, damit er erlöst werde von seiner „Krankheit“. Bis der Pastor Father Wilfred eines Tages am Strand eine grausame Entdeckung macht. Was er gesehen hat, verrät er niemandem. Doch er ist nicht mehr derselbe danach. Manche behaupten sogar, er sei vom Glauben abgefallen. Jahrelang reist die Gemeinde in der Karwoche nicht mehr an die Küste.

Bis der alte Father Wilfred eines mysteriöse­n Todes stirbt und seine Gemeinde den neuen Pastor Father Bernard dazu überredet, an die alte Tradition anzuknüpfe­n und wieder einmal nach The Loney zu fahren. Doch dort angekommen ist nichts mehr, wie es war. Tagelang regnet es, düstere Gestalten treiben sich herum und die alte Wallfahrts­kirche ist völlig verwahrlos­t. Der neue Pastor kann die Hoffnungen seiner bigotten Gemeinde nicht erfüllen, ist viel zu großzügig, wenn es um das Vergeben der Sünden geht, und es heißt, er sei sogar im Pub gesehen worden …

Von der ersten bis zur letzten Seite hält der 1975 geborene Andrew Michael Hurley in seinem Romandebüt „Loney“die Spannung hoch. Gar nicht mehr aus der Hand legen mag man das Buch, bis das Geheimnis um The Loney gelöst ist. Was hat der alte Father Wilfred am Strand gesehen? Und war er wirklich der vorbildlic­he Gottesmann, für den seine Gemeinde ihn hielt? Am Ende ist der stumme Hanny geheilt. Doch nicht Gott hat das Wunder bewirkt. Auch, wenn die Gemeinde das glaubt. Ganz im Gegenteil. Böse Mächte waren im Spiel.

Andrew Michael Hurley schreibt gekonnt und mit dem nötigen Quäntchen schwarzen Humor über die Macht und Ohnmacht des Glaubens. Er beherrscht alle Tricks des Romanciers, versteht mit wenig Worten, eindrucksv­olle Stimmungen zu erzeugen. Es ist ein Buch über die alte und die neue Zeit, über den Wandel der Kirche und über blindes Gottvertra­uen. In dem Hurley die packende Geschichte aus der jugendlich­en Perspektiv­e von Hannys Bruder erzählt, gibt er seinem fesselnden Unterhaltu­ngsroman eine literarisc­he Ebene. Unbedingt lesen! Andrew Michael Hurley: Loney, Ullstein Verlag Berlin, 384 Seiten, 22 Euro.

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