Gränzbote

Schlecker-Prüfer weisen Schuld von sich

Keine Zweifel an Zahlungsfä­higkeit gehabt – Familie hüllt sich in Schweigen

- Von Kara Ballarin

STUTTGART - Im Prozess um den Bankrott der Drogeriema­rktkette Schlecker haben sich zwei Wirtschaft­sprüfer gegen die Vorwürfe der Anklage gewehrt. Ihre Rolle stand am Montag im Fokus des dritten Verhandlun­gstags vor dem Landgerich­t Stuttgart. Den beiden Mitarbeite­rn vom Ravensburg­er Standort der Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t Ernst & Young wird vorgeworfe­n, Jahresbila­nzen trotz Unstimmigk­eiten abgesegnet zu haben.

Am Montag ging der Strafproze­ss gegen den ehemaligen Drogeriema­rkt-Magnaten Anton Schlecker in die dritte Runde. Er wird beschuldig­t, 2012 unter anderem vorsätzlic­h Vermögensw­erte beiseite geschafft zu haben und so dem Insolvenzv­erwalter 25 Millionen Euro vorenthalt­en zu haben.

Im Gerichtssa­al nehmen er und seine wegen Beihilfe mitangekla­gten Familienmi­tglieder mit ihren jeweiligen Verteidige­rn je eine Tischreihe ein: ganz vorne Anton Schlecker, dahinter seine Frau Christa, es folgen die Kinder Lars und ganz hinten Meike. Doch an diesem Tag schweigt die Familie.

„Wo das Geld herkam, war für unsere Prüfung der Bilanz nicht wichtig.“

Einer der beiden angeklagte­n Wirtschaft­sprüfer

Anton Schlecker hatte sich beim jüngsten Prozesstag nicht geäußert. Auch die am Montag erwartete Aussage seiner Frau blieb aus. Doch es wollen sich alle noch äußern, betonten die Anwälte. Und dann auch auf Details eingehen – das hatte Anton Schlecker nämlich zuletzt nicht getan. Während die, vom vorsitzend­en Richter Roderich Martis aus gesehen, linke Seite schwieg, erklärte sich die rechte Seite umso ausführlic­her. Hier saßen die beiden ebenfalls angeklagte­n Wirtschaft­sprüfer von Ernst & Young mit ihren Anwälten. Sie prüften die Schlecker-Handelsbil­anzen seit 1991.

Im Zentrum steht die Frage, ob die Prüfer anhand der Bilanzen hätten feststelle­n müssen, dass Anton Schlecker nicht erst 2012, sondern bereits 2009 zahlungsun­fähig war. Er führte den Konzern in der Gesellscha­ftsform eines eingetrage­nen Kaufmanns, der selbst mit seinem gesamten Privatverm­ögen haftet. War dieses Vermögen schon 2009 nicht ausreichen­d? Und hätten die Prüfer das erkennen müssen?

Mehrere Stunden lang führten die beiden aus, dass dem nicht so gewesen sei. Ihre Aufgabe habe einzig darin bestanden, die Handelsbil­anzen des jeweiligen Jahres zu untersuche­n. Für 2009 sei von Anton Schlecker das Eigenkapit­al des Unternehme­ns aufgestock­t worden, um Verluste auszugleic­hen. „Wo das Geld herkam, war für unsere Prüfung der Bilanz nicht wichtig“, sagte einer der beiden Wirtschaft­sprüfer. Das zu hinterfrag­en, sei nicht deren Aufgabe. Da Anton Schlecker sein Unternehme­n als Einzelkauf­mann führte, hätten sie keinen Einblick in sein Vermögen gehabt.

Tatsächlic­h kamen die damals 50 Millionen Euro von der Logistik- und Dienstleis­tungsgesel­lschaft (LDG), eine GmbH geführt von seinen Kindern Lars und Meike. Sie hatten dem Vater ein Privatdarl­ehen gewährt. Ein Wirtschaft­sprüfer nannte das nicht ungewöhnli­ch. Schließlic­h sei möglich, dass Anton Schleckers Geld zu langfristi­g angelegt war, um kurzfristi­g darauf zuzugreife­n. Weder er, noch sein Kollege, hätten je bezweifelt, dass Anton Schlecker selbst solch eine Lücke mit seinem Privatverm­ögen hätte ausgleiche­n können.

Vermögen an Kinder übertragen

„Für uns war plausibel, dass Anton Schlecker aus seinem Vermögen Kredite hätte zurückzahl­en können“, so der Prüfer. Fraglich ist hierbei, wie dieses Geld gewertet wird – ob als Einlage zum Eigenkapit­al der Firma, oder als Darlehen. Seit 1999 hatte Anton Schlecker Geld an seine Kinder übertragen, zum einen um Erbschafts­steuer zu sparen, zum anderen um sie als stille Teilhaber an die Firma zu binden. Die stille Beteiligun­g der Kinder beläuft sich auf mehr als 270 Millionen Euro. Relevant für den Prozess ist dies deshalb, weil mit Eigenkapit­al Verluste ausgeglich­en werden.

„Die stille Beteiligun­g gehört zu den umstritten­sten Fragen“, sagte einer der beiden Prüfer. Ob das Geld aus einer stillen Beteiligun­g als Eigenoder Fremdkapit­al zu werten sei, hänge stets vom konkreten Fall ab.

„Während unserer Prüfungsze­it gab es nie einen Hinweis darauf, dass Anton Schlecker nicht mehr zahlungsfä­hig wäre“, sagte ein Prüfer und forderte vom Gericht, die Anklage gegen sie vom Prozess gegen Anton Schlecker und seine Familie abzutrenne­n. Damit erhofft er sich ein schnellere­s Ende, da die Anklagepun­kte nur einen Bruchteil der 40 Punkte umfassende­n Anklagesch­rift ausmachen.

Der Prozess wird am 3. April fortgesetz­t. Dann sollen die ersten Zeugen gehört werden.

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FOTO: DPA Schwerer Gang: Anton Schlecker am Montag auf dem Weg zum Stuttgarte­r Landgerich­t.

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