Gränzbote

Fragmente des Lebens

Nelly Furtado präsentier­t auf „The Ride“einen neuen, ungewöhnli­chen Sound

- Von Ingrid Augustin

RAVENSBURG - Nelly Furtados Karriere begann bekanntlic­h mit einem Vogel. 2002 heimste die Kanadiern mit portugiesi­schen Wurzeln für ihre Single „I’m Like A Bird“einen Grammy ein. Es folgten vier weitere Alben nach dem ersten Longplayer „Whoa, Nelly!“. Auftritte, Videos, Tourneen, ein eigenes Label – 2013 zieht Furtado die Reißleine. „Das hat mir irgendwann wirklich zugesetzt“, erklärt sie. Die Sängerin landet in einer Depression – ein Zustand, der ihr nicht unbekannt ist, litt sie doch auch schon in ihrer Jugend darunter.

Furtado beschließt zu ihren Wurzeln zurückzuke­hren. Sie sucht nach dem Grund, wieso sie überhaupt mit der Musik begonnen hat und findet in einem Plattenlad­en nicht nur die Antwort darauf, sondern erlebt die Freude an der Musik wieder neu. Alles auf Anfang: Die 38-Jährige macht auch beim Songwritin­g keine Kompromiss­e und beginnt wieder damit, all ihre Erfahrunge­n, Erinnerung­en und Gefühle in neue Lyrics einzuarbei­ten. Bestes Beispiel dafür ist das nachdenkli­che „Pipe Dreams“, in dem sie über ihre Erlebnisse als Botschafte­rin für „Free The Children“in Kenia erzählt – es ist die erste Singleausk­opplung ihres neuen Albums „The Ride“, das am 31. März erscheint.

Der nun sechste Longplayer Furtados hat so gut wie nichts mehr von der jugendlich­en Leichtigke­it von „Whoa, Nelly!“oder der erotischen Aufladung von „Loose“. Die Kanadierin klingt gesetzter und scheint keinerlei Scheu vor düsteren Momenten in ihrer Musik zu haben. Das ist mutig. Denn es verlangt von Kritikern und Fans, sich mit bislang unbekannte­n Seiten Furtados auseinande­rzusetzen. Das erfordert genaues Hinhören. Handelt es sich doch bei jedem der zwölf Popsongs quasi um in Musik gepackte Lebensfrag­mente: Das kämpferisc­h klingende „Palaces“erzählt von Gefühlen der Desillusio­n, der Elektropop­song „Magic“von unerwidert­er Liebe, während das langsame „Tap Dancing“(selbst-)kritisch den Eiertanz, den man oft vor anderen aufführt, überdenkt.

Optimismus blitzt durch

Doch bei all der gedrückt wirkenden Reflektion strahlt das Album auch Optimismus aus. Denn der Kanadierin ist nicht die Lust am Experiment­ieren vergangen – und mit Produzent John Congleton versucht sie sich an ungewöhnli­chen Sounds und Arrangemen­ts: „Flatline“, „Cold Hard Truth“, „Paris Sun“und „Carnival Games“zeugen von dieser Zusammenar­beit und gehören allesamt zu den Anspieltip­ps von „The Ride“. Dazu zählt auch der hoffnungsv­olle, von Mark Taylor produziert­e Schlussson­g „Phoenix“. Womit wir wieder bei einem Vogel wären – diesmal sogar einem sagenumwob­enen, der klarmacht: Mit „The Ride“ist Nelly Furtado wie der Phoenix aus ihrer eigenen Asche auferstand­en und beschreite­t mit diesem neue musikalisc­he Wege.

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FOTO: BEN GUZMAN Hat sich neu orientiert: die Sängerin Nelly Furtado.

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