Brasilien feiert, Argentinien ist ohne Messi hilflos
Der Rekord-Weltmeister löst als erste Nation das Ticket zur Fußball-WM, sein Erzrivale steckt in der Krise
SÃO PAULO (SID/dpa/sz) - Als der brasilianische Nationaltrainer Tite die Nachricht von der gelösten Fahrkarte zur Fußball-WM 2018 in Russland auf dem Pressepodium erhielt, reckte der 55-Jährige die Hände nach oben und rief erleichtert: „Danke, Vater im Himmel.“Dann breitete der Macher der neuen Seleção die Arme weit aus und versprach nach der 3:0 (1:0)-Gala gegen Paraguay: „Jetzt gibt es eine Caipirinha in dieser Größe.“
Fast zur gleichen Zeit durchquerte Lionel Messi Brasiliens Luftraum, saß mit Brummschädel im Charterflieger Richtung Barcelona. Argentiniens Superstar war nach dem 0:2 (0:1) in Bolivien wortlos ins Flugzeug verschwunden. Die Demütigung des Vize-Weltmeisters in La Paz sah sich der 29-Jährige wegen der kurz vor Spielbeginn vom Weltverband FIFA ausgesprochenen Sperre für vier WM-Qualifikationsspiele zerknirscht auf einem kleinen Fernseher einsam in der Umkleidekabine an.
Während Messi und die auf Platz fünf abgestürzten Argentinier sich ernsthaft Sorgen machen, noch eines der vier WM-Direkttickets Südamerikas zu ergattern, plant Tite bereits für Russland. „Jetzt, da wir qualifiziert sind, öffnen sich Perspektiven“, sagte der Dunga-Nachfolger, der das Team auf Rang sechs übernommen hatte. Tite versprach für die Australien-Reise mit Länderspielen gegen Argentinien (9. Juni) und den Gastgebern aus Down under (13. Juni) neue Gesichter. Trotz des achten Sieges in Folge in der WM-Qualifikation stellte Tite fest: „Das Team ist noch nicht bereit.“Für die Reise nach Russland jedoch schon. Denn mit 33 Zählern ist bei noch zwölf zu vergebenden Punkten mindestens Platz vier sicher. Für die Argentinier dagegen wird die Aufgabe nicht leichter. Nächster Gegner ist auswärts Uruguay (31. August), das in Peru überraschend mit 1:2 verlor.
Bereits in Bolivien fehlte Messi dem WM-Zweiten als Ideengeber oder Vollstrecker an allen Ecken und Enden. Juan Carlos Acre (31.) und der Ex-Bremer Marcelo Moreno (52.) nutzten die Schockstarre der Gäste zu Boliviens Siegtreffern. In acht Qualifikationsspielen ohne La Pulga (Floh) holten die Gauchos gerade einmal sieben Punkte. Keine rosigen Aussichten für die anstehenden Duelle mit Uruguay, Venezuela und Peru.
Messi wäre nach seinen Beleidigungen gegen einen SchiedsrichterAssistenten beim 1:0 gegen Chile erst zum Eliminatorias-Finale in Ecuador wieder dabei. Den verbalen Aussetzer hatten die Unparteiischen nicht im Spielbericht erwähnt. Die FIFA war erst nach TV-Bildern tätig geworden, hatte dann aber überraschend schnell und hart ein Urteil gefällt, gegen das Argentinien Einspruch einlegen will. In der Heimat wird der Druck auf Coach Edgardo Bauza immer größer. Doch der 59-Jährige ist von der Qualifikation überzeugt: „Wir leben noch“, betonte er. „Der Kampf geht weiter.“Da bis zum nächsten Spiel fünf Monate Zeit sind, wäre ein Trainerwechsel wenn, dann wohl jetzt sinnvoll. Spekuliert wird vor allem über Jorge Sampaoli vom FC Sevilla – aber der würde eine Millionenablöse kosten, und der Verband ist klamm.
Chile nutzte den Ausrutscher der Argentinier und kehrte mit einem 3:1 gegen Venezuela auf Platz vier zurück. Kolumbien rückte mit einem 2:0 in Ecuador auf Platz zwei vor.
In São Paulo überragte trotz eines verschossenen Foulelfmeters (53.) Olympiaheld Neymar. Erstmals unter Tite mit der Kapitänsbinde ausgestattet, krönte Neymar seine Leistung mit dem Treffer zum 2:0 (64.) nach einem Solo über den halben Platz und lobte danach seinen Trainer: „Er ist ein genialer Typ.“Zudem trafen LiverpoolLegionär Philippe Coutinho (34.) und Marcelo (86.) von Real Madrid.
Anschließend jubelten Neymar und Co. über Perus Schützenhilfe. Zwar brachte Luis Suarez (30.) nach abgelaufener Gelbsperre die Urus in Lima in Führung, doch der Ex-Bundesliga-Star Paolo Guerrero (35.) und Edison Flores (62.) hielten mit ihren Toren den WM-Traum des siebtplatzierten Andenteams am Leben.