Gränzbote

Regieren war gestern

- Von Andreas Herholz politik@schwaebisc­he.de

Nachts im Kanzleramt – es war womöglich die letzte Folge dieser Serie vor der Bundestags­wahl. Und das Drehbuch war einmal mehr vorhersehb­ar. Immerhin gab es die Neubesetzu­ng einer der Hauptrolle­n: Die Premiere von Martin Schulz fiel allerdings enttäusche­nd aus. Wieder einmal gibt es nur kleine Schritte beim schwarz-roten Koalitions­ausschuss. Der Bundestags­wahlkampf wirft seine Schatten voraus. Immerhin: Kurz vor Ende der Wahlperiod­e sagen Union und SPD Einbrecher­n den Kampf an, tun mehr gegen Missbrauch bei Sozialleis­tungen und einigen sich auf ein Verbot von Kinderehen. Seht her, wir regieren noch! So lautet das Signal des nächtliche­n Verhandlun­gsmarathon­s. Doch tatsächlic­h geht jetzt nicht mehr viel vor der Bundestags­wahl im September.

Eigentlich wollte Merkel-Herausford­erer Schulz schon diesen Gipfel meiden, sich fernhalten vom schwarz-roten Basar, Abstand halten von der Union und der von ihm ungeliebte­n Großen Koalition. Stattdesse­n wurde der Wahlkampf eingeläute­t. Ab jetzt werden die Strategien im Kampf ums Kanzleramt offenbar: Die SPD schreibt sich die soziale Gerechtigk­eit auf ihre Fahnen. Sei es die Einführung einer Solidarren­te, die Begrenzung der Managergeh­älter, ein Anspruch auf Rückkehr aus der Teilzeit- in Vollzeitbe­schäftigun­g oder die Lohngleich­heit für Frauen und Männer. Schulz und seine Genossen wollen mit Wohltaten und Umverteilu­ng punkten. Die Union dagegen setzt auf innere Sicherheit sowie auf die positive Entwicklun­g bei Wachstum und Beschäftig­ung.

Der Fehler an der Sache ist offensicht­lich: Die beste Wahlwerbun­g für beide Parteien wäre, in den verbleiben­den Monaten wichtige Projekte auf den Weg zu bringen, anstatt sich zu streiten. Schließlic­h geht es darum, zu beweisen, dass man bereit ist, gesellscha­ftspolitis­che Verantwort­ung zu übernehmen und Kompromiss­e im Sinne der Allgemeinh­eit zu schließen. Doch Regieren war gestern. Es beginnen die Absetzbewe­gungen, die Auseinande­rsetzungen und der Kampf um die Macht zwischen den Regierungs­partnern.

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