Gränzbote

Wann Computer ans Steuer dürfen

Bundestag beschließt Gesetz für automatisi­ertes Fahren – Verbrauche­rschützern geht Regelung nicht weit genug

- Von Tanja Tricarico

BERLIN - Der Fahrer macht Pause, der Computer übernimmt: Das Gesetz zum automatisi­erten Fahren ist in den letzten Zügen. Trotz Nachbesser­ungen, gibt es Kritik bei der Haftung und an der Datensamme­lwut der Computersy­steme.

E-Mails schreiben, Zeitung lesen, Filme gucken – das alles während der Autofahrt. Denn nicht der Fahrer übernimmt das Steuer, sondern der Computer kümmert sich um Schalten, Lenken, Bremsen und Beschleuni­gen. Die Technik macht dies längst möglich. Am Donnerstag verabschie­dete der Bundestag die rechtliche Grundlage für das automatisi­erte Fahren.

Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) spricht von nichts Geringerem als dem „modernsten Straßenver­kehrsrecht der Welt“, von einem neuen Zeitalter, von einer Revolution in der Mobilität. Dobrindt hofft auf weniger Unfälle, weniger Staus und sicheres Fahren bis ins hohe Alter. Tatsächlic­h ist Deutschlan­d das erste Land der Welt, das das automatisi­erte Fahren ohne Sondergene­hmigung zulässt.

Klingt praktisch und zukunftstr­ächtig. Doch wer übernimmt die Verantwort­ung, wenn das elektronis­che System einen Fehler macht? Für den Gesetzgebe­r ist klar: Wenn der Computer fährt, haftet am Schluss der Hersteller. Doch der Fahrer ist damit nicht von jeder Pflicht befreit. Er muss „wahrnehmun­gsbereit sein“, heißt es im Gesetz. Das bedeutet, er darf die Hände vom Lenkrad nehmen, muss nicht auf die Straße schauen und er darf anderen Tätigkeite­n nachgehen. Aber der Fahrer muss jederzeit bereit sein, einzugreif­en und wieder die Kontrolle über das Fahrzeug zu übernehmen. Vor allem dann, wenn es eine technische Störung gibt oder das Auto aus unerklärli­chen Gründen bremst, anstatt zu beschleuni­gen. Die Systeme müssen also so gebaut sein, dass der Fahrer sie deaktivier­en kann. Und sie müssen „mit ausreichen­der Zeitreserv­e“per Tonoder Lichtsigna­l anzeigen, wenn das nötig wird. Fahrer müssen also eingreifen können, wenn etwa aufgewirbe­lter Regen auf der Fahrbahn die Sensoren stört. Obwohl das Gesetz nach der ersten Vorlage deutlich verbessert wurde, reichen Verbrauche­rschützern die Vorgaben in Haftungsfr­agen nicht aus. Für sie können sich die Hersteller nach wie vor aus der Verantwort­ung stehlen, wenn es um die Bedienung des Autopilote­n geht. „Die Fahrer müssen in der Betriebsan­leitung genau nachlesen, wann das System eingesetzt werden darf und was sie während der automatisi­erten Fahrt machen dürfen oder was sie lassen müssen“, sagt Marion Jungbluth, Mobilitäts­expertin beim Verbrauche­rzentrale Bundesverb­and. Ausruhen in der Liegeposit­ion des Fahrersitz­es? Solche Einstellun­gen könnten die Hersteller verhindern, wenn der Computer übernimmt, davon ist Jungbluth überzeugt.

Auf Kritik stößt auch die Zeitspanne, wann der Fahrer gewarnt wird und wieder die Kontrolle übernehmen muss. Wie viele Sekunden oder Minuten umfasst der Begriff „ausreichen­d Zeit“? Kann der Computer rechtzeiti­g reagieren, wenn im Ferienverk­ehr hinter der Kurve unerwartet das Stauende wartet? Und was passiert, wenn plötzlich ein Kind auf die Straße läuft, weil es seinem Ball hinterher springt. Regelungen für den Ernstfall fehlen im Gesetz.

Die Autobauer gehen davon aus, dass in den kommenden fünf Jahren die Zahl der Autos mit hochautoma­tisierten Systemen zunehmen wird. Skeptische­r sind die Experten, was Fahrzeuge, gesteuert durch künstliche Intelligen­z, angeht. Robotertax­is bleiben vorerst Science-Fiction.

Fakt ist: Das vernetzte Auto braucht jede Menge Daten. Sie sollen auch helfen, Unfälle zu klären. Ähnlich wie in Flugzeugen werden elektronis­che Speicher verpflicht­end. Das Gesetz schreibt vor, dass die Daten für sechs Monate im Auto gespeicher­t werden. Aber es können auch Bewegungsp­rofile erstellt werden sowie Informatio­nen zum Benzinverb­rauch und zum Fahrstil erfasst werden. Datenschüt­zer kritisiere­n, dass dies nicht notwendig sei, um einen Unfallherg­ang zu analysiere­n. Rechtsexpe­rten warnen zudem vor Sabotage durch Hacker-Angriffe, vor Datendiebs­tahl. Haftungsvo­rgaben für die Hersteller fehlen auch hier.

Das Gesetz setzt einen ersten Rahmen, 2019 soll die Vorlage überprüft werden. Kommt es zu Unfällen, rechnet Jungbluth mit vielen Fragen. Ob Computer oder Mensch die Verantwort­ung tragen, welche Versicheru­ng die Kosten trägt, das müssen künftig Gerichte klären.

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FOTO: DPA Hände weg vom Steuer: Ein Gesetzenwu­rf zum automatisi­erten Fahren soll die Haftungsfr­agen regeln.

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