Gränzbote

Gesprächsm­arathon ohne klare Gewinner

Beim wohl letzten Koalitions­ausschuss vor der Bundestags­wahl bleiben viele Fragen offen

- Von Tobias Schmidt

BERLIN - Sechseinha­lb Stunden hatte am Mittwochab­end der Koalitions­ausschuss getagt, bei dem Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erstmals direkt mit ihrem SPD-Herausford­erer Martin Schulz um politische Weichenste­llungen rang. Wer konnte sich in der Marathonsi­tzung besser durchsetze­n? Welche wichtigen Beschlüsse wurden gefasst? Hier die wichtigste­n Fragen und Antworten.

Wo konnte die Union punkten?

Die Spitzen von CDU und CSU sehen sich als Gewinner der Marathonna­cht, setzten sie doch Anliegen zur Inneren Sicherheit durch. So wird die Mindeststr­afe für Einbruchsd­iebstahl auf ein Jahr angehoben, Justizmini­ster Heiko Maas (SPD) hatte dagegen für ein halbes Jahr plädiert. Einbruchsd­iebstahl wird nun als Verbrechen eingestuft, wodurch Verfahren nicht so rasch eingestell­t werden können. Auch gegen Sozialbetr­ug von Asylbewerb­ern will die Koalition härter vorgehen: Durch den Zugriff auf Fingerabdr­ücke von Antragstel­lern sowie durch Vaterschaf­tstests, wenn der Verdacht besteht, ausländisc­he Männer wollten sich durch eine Vaterschaf­tsanerkenn­ung ein Bleiberech­t erschleich­en. Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) sprach von einem „schönen Erfolg“- auch wenn eine leichtere Abschiebun­g von Ausländern wegen Sozialbetr­ugs am Widerstand der SPD scheiterte.

Wo hat sich die SPD durchgeset­zt?

Damit Frauen nicht länger schlechter bezahlt werden als Männer, wenn sie den gleichen Job machen, wird es neue Auskunftsr­echte geben. Und dies für Betriebe ab 200 Mitarbeite­rn. Das grüne Licht für das Lohngleich­heitsgeset­z ist ein Erfolg von Familienmi­nisterin Manuela Schwesig (SPD) im Ringen mit dem UnionsWirt­schaftsflü­gel. Beim Familienna­chzug von Flüchtling­en soll die Härtefallk­lausel genutzt werden, auch das hatte die SPD gefordert.

Was wurde ohne Streit abgeräumt?

Kinderehen werden grundsätzl­ich verboten – darauf hatten sich die Koalitionä­re schon vorher geeinigt, weil beide Seiten Handlungsb­edarf sahen. Ehen von Jugendlich­en unter 16 Jahren werden aufgehoben. Heiratsurk­unden gibt es erst ab 18 Jahren. Überdies wird das Prävention­sprogramm gegen islamistis­chen Extremismu­s um 100 Millionen Euro aufgestock­t. Für Kinder und Frauen in Flüchtling­sheimen beschloss der Koalitions­ausschuss die Einführung bundesweit­er Schutzrege­ln. Von einer „konstrukti­ven Atmosphäre“war angesichts der Einigungen die Rede.

Kommt es zu einer Deckelung der Managergeh­älter?

Nein, hier scheiterte­n die Sozialdemo­kraten am Widerstand der Union, die eine Begrenzung der steuerlich­en Absetzbark­eit von Managergeh­ältern auf maximal 500 000 Euro pro Jahr nicht mitmachen will. Im schwarzrot­en Koalitions­vertrag ist vereinbart, dass die Hauptversa­mmlungen auf Vorschlag des Aufsichtsr­ates über die Höhe der Gehälter entscheide­n. Die SPD wird nun mit ihrem Ruf nach Deckelung der Managerbez­üge in den Wahlkampf ziehen.

Warum scheiterte die Solidarren­te, obwohl sie im Koalitions­vertrag vereinbart worden war?

Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles (SPD) fordert einen Aufschlag von zehn Prozent für langjährig­e Geringverd­iener. Die Bedingung der Union, den Zuschlag an eine Bedürftigk­eitsprüfun­g zu knüpfen, akzeptiert­en die Sozialdemo­kraten nicht, weil sie in der Solidarren­te keine Sozialleis­tung sehen, sondern die Anerkennun­g für 35 Jahre Arbeit.

Auch das Recht auf Rückkehr in Vollzeit kommt nun nicht?

Die SPD will die 750 000 Menschen, überwiegen­d Frauen, die nicht zurück zur Vollzeit können, aus der „Teilzeitfa­lle“holen, indem sie ein Recht auf befristete Teilzeit erhalten. Bundeskanz­lerin Merkel habe sich aber quergestel­lt, hieß es am Donnerstag aus SPD-Kreisen. Der Union gehen die Vorschläge zu weit, insbesonde­re, dass das Rückkehrre­cht schon für Unternehme­n ab 15 Mitarbeite­rn gelten soll.

Warum hat die SPD die „Ehe für alle“auf die Tagesordnu­ng gesetzt, obwohl das Scheitern bei diesem Thema absehbar war?

Das Thema dient beiden Seiten zur Profilieru­ng: Die Sozialdemo­kraten wissen die breite Bevölkerun­gsmehrheit hinter sich, wenn es darum geht, die Ehe auch für gleichgesc­hlechtlich­e Partner zu öffnen. Die Union betont durch ihren Widerstand ihr traditione­lles Familienbi­ld.

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FOTO: DPA Unionsfrak­tionschef Volker Kauder (CDU) nennt die Gespräche im Koalitions­ausschuss einen „schönen Erfolg“.

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