Gränzbote

Türkei erlaubt deutschen Diplomaten den Zugang zu Deniz Yücel

Zusage zum Gefängnisb­esuch nach Bitte des Bundesauße­nministers Sigmar Gabriel – Präsident Erdogan nennt Journalist­en einen „Agenten“

- Von Susanne Güsten

ISTANBUL - An der Pforte des Gefängniss­es in Silivri nahe Istanbuls werden sich am heutigen Dienstag deutsche Besucher anmelden. Diplomaten der Bundesrepu­blik erhalten erstmals Zugang zu dem seit fast zwei Monaten inhaftiert­en deutsch-türkischen Journalist­en Deniz Yücel.

Die Zusage des seit Anfang März versproche­nen Besuchs kam nach einer Anfrage von Außenminis­ter Sigmar Gabriel an seinen türkischen Amtskolleg­en Mevlüt Cavusoglu. Der „Welt“-Korrespond­ent sitzt wegen des Vorwurfs der Terrorprop­aganda und der Volksverhe­tzung in Untersuchu­ngshaft. Seine Anwälte haben sich an das Verfassung­sgericht gewandt, um seine Freilassun­g zu erreichen, eine Antwort steht noch aus.

Nach Angaben der Opposition­spolitiker­in Safak Pavey, die Yücel Anfang März in Silivri besuchte, sitzt der Journalist in einer Einzelzell­e. Yücel sagte Pavey damals, es gehe ihm gesundheit­lich gut. Auch habe er seine Zuversicht nicht verloren.

Präsident Recep Tayyip Erdogan nennt Yücel in seinen Wahlkampfr­eden vor dem Verfassung­sreferendu­m am 16. April offen einen „Agenten“; allein diese Vorverurte­ilung durch das Staatsober­haupt lässt daran zweifeln, dass die türkische Justiz der Forderung nach baldiger Freilassun­g des Reporters nachkommen wird. Bei einer Kundgebung in Ankara am Wochenende bezeichnet­e Erdogan die EU als „Allianz der Kreuzzügle­r“, die ein muslimisch­es Land wie die Türkei aus religiösen Gründen nicht aufnehmen wolle.

Scharfe Kritik an EU

Die scharfe Rhetorik, mit der Erdogan islamistis­che und nationalis­tische Wähler für ein „Ja“zum Präsidials­ystem bei der Volksabsti­mmung gewinnen will, passt zu seinen „Nazi“-Vorwürfen an Kanzlerin Angela Merkel. Die EU solle sich nicht in die inneren Angelegenh­eiten der Türkei einmischen, sekundiert­e kürzlich Ministerpr­äsident Binali Yildirim.

Yildirim war es auch, der Merkel zusagte, dass deutsche Diplomaten Yücel besuchen dürften. Danach geschah einige Wochen nichts – die türkische Regierung widmete sich der Kritik an Deutschlan­d und den Niederland­en wegen der Auftrittsv­erbote für türkische Minister. Inzwischen hat sich der Streit um die Politikerb­esuche etwas abgekühlt, insbesonde­re nach der Entscheidu­ng der Erdogan-Partei AKP, auf Wahlkampfv­eranstaltu­ngen mit hochrangig­en Vertretern in Europa zu verzichten.

Die Besuchserl­aubnis könnte nun ein Signal dafür sein, dass die türkische Regierung trotz der Kritik an der EU nicht alle Brücken abbrechen will. Erdogan-Kritiker in der Türkei sind zwar überzeugt, dass der Präsident keine große Energie in den türkischen EU-Beitrittsp­rozess stecken will. Aber ob Erdogan den völligen Bruch mit Europa anstrebt, ist unklar. Schon früher hat Erdogan gegen die Europäer gewettert, ohne dass er die Beitrittsv­erhandlung­en von sich aus für beendet erklärt hätte. Nach dem Referendum könnte es mehr Klarheit über seinen Europa-Kurs geben.

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FOTO: DPA Dem Türkei-Korrespond­enten der „Welt“, Deniz Yücel, wird Terrorprop­aganda vorgeworfe­n. Er befindet sich in Untersuchu­ngshaft.

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