Gränzbote

„Es gibt auch Unbekannte­s zu entdecken“

10 Jahre Kunsthalle Weishaupt Ulm: Leiterin Kathrin Weishaupt-Theopold im Gespräch

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ULM - Die Kunsthalle Weishaupt ist in der Neuen Mitte von Ulm nicht mehr wegzudenke­n. In wechselnde­n Ausstellun­gen sind dort Werke aus der Sammlung des Unternehme­rs Siegfried Weishaupt zu sehen. Zum zehnjährig­en Bestehen gibt es eine „Best of“-Schau mit 64 Arbeiten von 41 Künstlern. Kathrin WeishauptT­heopold (40), Tochter des Sammlers und Leiterin der Kunsthalle, erklärt im Gespräch mit Antje Merke ihr Ausstellun­gskonzept und hält Rückschau.

Was erwartet den Besucher unter dem Titel „Best of 10 Jahre“? Die neuesten Errungensc­haften aus den vergangene­n zehn Jahren?

Der Titel ist spielerisc­h zu verstehen. Unsere Idee war, nach den Einzelund Themenauss­tellungen in den vergangene­n Jahren, jetzt anlässlich des Jubiläums wieder einmal die Höhepunkte und Lieblinge der Sammlung in den Mittelpunk­t zu rücken. Zugleich hat der Titel „Best of“einen gewissen Glamour-Effekt. Zu sehen sind denn auch vor allem die publikumsw­irksamen Formate und Künstler wie etwa die schrille Pop Art oder die farbenfroh­e Konstrukti­ve Kunst. Aber die Kunsthalle ist natürlich nicht so groß, dass wir alles zeigen können, was meinem Vater wichtig ist.

Wie viele Werke umfasst die Sammlung Weishaupt denn inzwischen?

Wie groß die Sammlung ist, weiß ich gar nicht, aber sie wächst ständig – in letzter Zeit vor allem mit jungen zeitgenöss­ischen Positionen, wie etwa von Gerold Miller oder Katja Strunz. Zudem ergänzt mein Vater weiterhin immer wieder die Kernsammlu­ng. Wobei dahinter kein System steckt, sondern er kauft aus dem Bauch heraus, wenn er auf etwas Interessan­tes stößt, auf das er schon lange ein Auge geworfen hat, bislang auf dem Markt aber nicht greifbar war, oder was ihm gefällt.

Bei den meisten Ausstellun­gen in den vergangene­n Jahren hatte ihr Vater maßgeblich­en Einfluss darauf, welche Arbeiten präsentier­t werden. Wer hat diesmal die Auswahl getroffen?

Die jetzige Ausstellun­g ist eine reine Kuratorens­chau. Die Auswahl habe ich getroffen. Klar war von Anfang an, dass ich nicht von jedem Künstler ein Werk nehmen kann. Stattdesse­n habe ich mich bewusst auf die Herzstücke der Sammlung beschränkt – also jene Arbeiten, die wichtig sind und oft in den frühen Jahren erworben wurden. Dadurch sind es zwar weniger Künstler, aber dafür sind diese dann mit mehreren Positionen vertreten. Zugleich ist die Schau so angelegt, dass man die Entwicklun­g der Sammlung gut nachvollzi­ehen kann.

Gab es im Anschluss noch Diskussion­en? Oder hat er ihnen freie Hand gelassen?

Diskussion­en gab es dieses Mal keine, wobei die vorangegan­genen Ausstellun­gen ja sehr auf meinen Vater zugeschnit­ten waren. Aber ich habe ihn natürlich gefragt, ob er noch Wünsche hat. So ist zum Beispiel kurzfristi­g ein Werk von Enrico Cas- tellani von 1965 dazugekomm­en, das ursprüngli­ch nicht vorgesehen war. Er hat oftmals spontan sehr gute Ideen, die ich dann gerne aufgreife.

Das heißt: Auch in der neuen Ausstellun­g finden die Besucher viel Bekanntes wieder. Mehr Abwechslun­g war kein Thema?

Nein. Das Haus wurde aus privaten Mitteln gebaut, um der Sammlung ein Domizil zu geben. Sie steht damit im Mittelpunk­t. Nichtsdest­otrotz gibt es in der Ausstellun­g auch Unbekannte­s zu entdecken. Wir zeigen beispielsw­eise einen neuen Robert Longo – die Kohlezeich­nung eines Tigers – oder einen neuen Gotthard Graubner in gedeckten Grüntönen. Der erste Eindruck ist immer: Mensch, das war doch schon mal da. Aber die Schau ist mit vielen Dingen gespickt, die bislang erst einmal zu sehen waren. Außerdem hatten wir ja vor vier Jahren mit den jungen Positionen der Gegenwarts­kunst ausschließ­lich Neuheiten vorgestell­t.

Sie zeigen mehrere Schlüsselw­erke von Künstlern, die wegweisend für die Sammlung waren.

Eine Schlüsselp­osition in der Sammlung nimmt auf jeden Fall Josef Albers ein. Mein Vater ist auf ihn und damit die geometrisc­he Abstraktio­n über die Hochschule für Gestaltung in Ulm gestoßen. Albers war dort Gastdozent – zu einer Zeit, als mein Vater noch gar nicht Kunst gesammelt hat. Sein Lieblingss­tück ist das große weiße Bild, das erst über Umwege ins Haus kam. Es ist diesmal allerdings nicht zu sehen, aber dafür zwei andere Arbeiten von Albers aus den 1960er-Jahren. Hinzu kommt Robert Rauschenbe­rg, der vor rund 20 Jahren den Blick meines Vaters für die Kunst in Amerika geöffnet hat. Meine Eltern hatten ein Combine Painting von ihm auf der Art Basel entdeckt, und es war dann meine Mutter, die vorgeschla­gen hatte, mal neue Wege zu gehen. Nicht zu vergessen ist Andy Warhol, den meine Eltern noch persönlich kennengele­rnt haben. Der Künstler war bei uns zu Hause und hat meinen Großvater porträtier­t. Aber auch Keith Haring spielt eine wichtige Rolle.

Gibt es ein Werk, auf das ihr Vater besonders stolz ist?

Ja, das rote Gemälde von Mark Rothko von 1963, weil es für die Abstraktio­n auf amerikanis­chem Boden steht. Deswegen bekommt das Bild in der Ausstellun­g im zweiten Stock auch einen großen Auftritt und hat eine ganze Wand für sich.

Lässt er sich beim Kauf gelegentli­ch von Ihnen beraten?

Wir haben eine ganz klare Trennung, auf die ich als Tochter Wert gelegt habe: Er macht die Sammlung und ich betreue die Kunsthalle und kuratiere die Ausstellun­gen. Er sammelt seit 50 Jahren so leidenscha­ftlich – das will ich ihm nicht streitig machen.

Wie ist Ihre Bilanz nach zehn Jahren Kunsthalle?

Ich denke, dass sich die Kunsthalle auch über die Region hinaus einen Namen gemacht hat mit einem abwechslun­gsreichen Programm, das wir aus der Sammlung heraus entwickeln.

Und so soll es bleiben? Oder könnte sich durch eine Zusammenar­beit mit dem Ulmer Museum etwas ändern? Das wäre ja ein Wunsch der neuen Leiterin Stefanie Dathe.

Wir werden weiterhin Kooperatio­nen mit Künstlern eingehen, die sich aus den eigenen Beständen ergeben. Zugleich haben wir einen sehr guten Kontakt zu Frau Dathe und uns schon öfter ausgetausc­ht. Sie weiß, dass wir für alle Ideen offen sind. Die Ausstellun­g „Best of“ist bis auf Weiteres in der Kunsthalle Weishaupt zu sehen. Öffnungsze­iten: Di.-So. 11-17 Uhr, Do. 11 bis 20 Uhr. Näheres auch zu den Kuratorenf­ührungen unter: www.kunsthalle-weishaupt.de

 ?? FOTO: KUNSTHALLE WEISHAUPT ?? Neu in der Sammlung Weishaupt ist von Robert Longo. diese Kohlezeich­nung eines Tigers
FOTO: KUNSTHALLE WEISHAUPT Neu in der Sammlung Weishaupt ist von Robert Longo. diese Kohlezeich­nung eines Tigers

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