Deutsche Steuern enorm hoch
Nur Belgier zahlen laut OECD-Studie mehr an den Staat
PARIS/BERLIN (AFP/her) - Die Deutschen werden laut einer neuen Studie mit am stärksten durch Steuern und Abgaben belastet. Laut einer am Dienstag veröffentlichten Untersuchung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben nur Belgier noch höhere Abschläge von ihrem Verdienst. Die OECD appellierte an die Mitgliedsstaaten, Steuern zu senken. Reiner Holznagel, Präsident des Bundes der Steuerzahler, sagte zur „Schwäbischen Zeitung“: „Wir müssen nicht nur die Steuerschraube nach unten drehen, sondern auch die Abgabenschraube.“
Laut Studie lag die Steuer- und Abgabenlast für alleinstehende Durchschnittsverdiener in der Bundesrepublik 2016 bei 49,4 Prozent, im Schnitt der 35 OECD-Länder waren es 36 Prozent. Auch bei allen anderen Haushaltstypen liege die deutsche Belastung über dem OECD-Durchschnitt.
BERLIN - Bei der Höhe der Steuernund Abgabenlast ist Deutschland Vize-Weltmeister. Nur in Belgien müssen Bürgerinnen und Bürger mehr an den Staat abführen als hierzulande. Tobias Schmidt beantwotet die wichtigsten Fragen zur Studie „Taxing Wages“der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).
Wie hoch ist die Belastung genau?
Ein alleinstehender Durchschnittsverdiener musste im Vergleichsjahr 2016 mit 49,4 Prozent fast die Hälfte seines Gehaltes an Steuern und Sozialabgaben an den Staat abführen. Das Mittel aller OECD-Länder lag bei 36 Prozent. Die Belastung ist dabei in Deutschland nicht nur für Alleinstehende besonders hoch. Auch ein verheirateter Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern musste noch 34 Prozent abgeben – 7,4 Prozentpunkte mehr als im OECD-Mittel. Relativ gut schneiden hingegen Ehepaare mit Kindern ab, wenn nur ein Elternteil arbeitet. Dann sinkt die Abgabenlast dank des Ehegattensplittings bei zwei Kindern auf 13,3 Prozent.
Warum steht Deutschland so weit oben?
Das liegt nicht in erster Linie an der hohen Einkommensteuer, die im Ländervergleich durchschnittlich ist, sondern an den besonders hohen Sozialabgaben für Arbeitnehmer. Für einen alleinstehenden Durchschnittsverdiener belaufen sich diese auf 17,3 Prozent – gegenüber 11 Prozent in Luxemburg und 10,5 Prozent in Frankreich. Der Anteil, der vom Arbeitgeber zu zahlen ist, liegt mit 16,2 Prozent etwa im Mittelfeld. Dabei ist zu bedenken, dass sich in der OECD-Liste nicht widerspiegelt, was die Menschen im Gegenzug für die hohen Abgaben bekommen. In Ländern mit weit geringerer Belastung – von den USA bis Griechenland – ist auch das soziale Netz deutlich dünner, dort muss also stärker privat vorgesorgt werden.
Gibt es auch Vorbilder für Deutschland?
Die skandinavischen Länder bieten ihren Bürgerinnen und Bürgern ebenso gute Sozialleistungen an, verlangen aber nicht so hohe Sozialabgaben – rund zehn Prozentpunkte weniger. Aus OECD-Sicht ist die Bundesrepublik in einem Punkt ein abschreckendes Beispiel: Durch das Ehegattensplittung können Verheiratete ihre Abgabenlast besonders dann senken, wenn nur ein Partner arbeitet. Experten fordern seit Langem die Abschaffung des Ehegattensplittings, weil es den Anreiz für die Berufstätigkeit von Frauen mindere.
Für wen liefern die OECD-Befunde Wahlkampfmunition?
Steuerzahlerbund und FDP sehen sich in ihrer Forderung nach Steuersenkungen bestätigt. FDP-Präsidiumsmitglied Volker Wissing hält Union und SPD vor, durch die Mütterrente und die abschlagsfreie Rente mit 63 die Belastung in die Höhe getrieben zu haben. Im Wahlprogramm der Liberalen sind Steuerentlastungen von 30 Milliarden Euro pro Jahr vorgesehen. Auch Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die Steuern für Bezieher mittlerer Einkommen senken, sieht Spielraum von 15 Milliarden Euro. Eine geringfügige Senkung der Einkommensteuer fiele im OECD-Ranking aber kaum ins Gewicht. Die SPD erwägt Entlastungen von Geringverdienern, will aber weniger die Steuern als die sonstigen Abgaben für sie senken.