Deutschland erfüllt erstmals UN-Entwicklungshilfe-Quote
0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung ausgegeben – Flüchtlingskosten heben die Quote
BERLIN (KNA) - Zum ersten Mal hat Deutschland im vergangenen Jahr 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungshilfe ausgegeben und damit die magische UN-Marke geknackt. Das gab die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) auf Basis vorläufiger Daten bekannt. Demnach gab die Bundesrepublik 23,3 Milliarden Euro netto (24,7 Milliarden USDollar) für Entwicklungshilfe aus – laut OECD ein Plus von 36 Prozent im Vorjahresvergleich.
Die Nichtregierungsorganisationen freut das überraschend wenig. Hintergrund ist, dass ein Viertel der ODA-Ausgaben, umgerechnet 5,8 Milliarden Euro, in die inländische Flüchtlingshilfe flossen und nicht in Hilfsprojekte in Entwicklungsländern. Deutschlands Inlandsanteil war nach Österreich (38 Prozent) und Italien (34 Prozent) der dritthöchste aller Geberländer. Rechnet man die Flüchtlingskosten heraus, sinkt die deutsche ODA-Quote – also das Verhältnis öffentlicher Entwicklungsleistungen zum Bruttonationaleinkommen – laut Entwicklungsministerium auf 0,52 Prozent.
Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) macht sich auch aus diesem Grund dafür stark, das deutsche Engagement auszubauen. „Auch ohne Flüchtlingszahlen, wie wir sie jetzt in Deutschland zu bewältigen haben, müssen wir das 0,7-Prozent-Ziel auf absehbare Zeit erreichen“, bekräftigt er. Er verweist dabei auch auf den deutlich gestiegenen Etat seines Ministeriums auf 8,5 Milliarden Euro.
Oxfam kritisiert Scheinerfolg
Der Entwicklungshilfeorganisation Oxfam reicht das nicht. Die Ausgaben für die Integration „dürfen nicht zu dem falschen Eindruck führen, Deutschland erfülle seine internationalen Verpflichtungen im Bereich Entwicklung und Armutsbekämpfung“, sagt der Oxfam-Experte Tobias Hauschild. Die 0,7 Prozent müssten ohne Flüchtlingskosten erreicht werden, der Entwicklungsetat müsse jährlich um 1,5 Milliarden Euro steigen. Schärfer formuliert es die Stiftung Weltbevölkerung: „Deutschland ist größter Empfänger seiner eigenen Entwicklungsausgaben“, so Geschäftsführerin Renate Bähr. Diese Mittel trügen jedoch nicht zur Entwicklung armer Länder bei.
Innerhalb der OECD gibt es seit Längerem eine Diskussion über die Berechnung der Entwicklungshilfequote. Deutschland hat erstmals2016 inländische Flüchtlingsausgaben an die OECD gemeldet. Die skandinavischen Länder haben auch in früheren Jahren schon Flüchtlingsaufnahmekosten in ihre Entwicklungshilfequote einfließen lassen und längst die 0,7Prozent-Marke erreicht. Jedoch lag bei Norwegen, Finnland und Schweden der Anteil an inländischen Flüchtlingskosten unter 20 Prozent.
Bei der Debatte über die Quote kommt aber eine andere Zahl zu kurz. Zwar stiegen die ODA-Ausgaben der westlichen Industrienationen insgesamt um 8,9 Prozent auf umgerechnet rund 134,6 Milliarden Euro, doch die Mittel für die ärmsten Länder der Welt sanken um rund vier Prozent auf etwa 22,6 Milliarden Euro.