Gränzbote

Beschuldig­ter muss in Psychiatri­e bleiben

Angeklagte­r hat 90-jährige Spaichinge­rin umgebracht, ist aber nicht schuldfähi­g

- Von Moni Marcel

SPAICHINGE­N - Ein 46-Jähriger muss in der Psychiatri­e bleiben, weil er Anfang März 2016 eine 90-Jährige aus Spaichinge­n im Wahn umgebracht hat. Dabei gestand ihm das Gericht am Dienstag zu, dass er bei der Tat nicht schuldfähi­g war, und dass er tatsächlic­h dachte, er habe die Frau reanimiere­n müssen. Das war auch, was er selbst während des Prozesses betont hatte: Die Frau sei bewusstlos gewesen, habe nicht geatmet und keinen Puls gehabt, weshalb er sie mit Händen und später mit Füßen wiederbele­ben wollte.

Bei dieser brutalen Herz-DruckMassa­ge hatte er der Frau mehrere Rippen gebrochen, die sich teilweise in die Lunge bohrten. Daran war die Frau zwei Wochen später im Krankenhau­s gestorben. Der 46-Jährige hatte auch am letzten Prozesstag am Landgerich­t Rottweil in einer anderthalb­stündigen Rede versucht, seine Version zu begründen und die Schuld am Tod dem Sohn der Frau in die Schuhe zu schieben. Das Gericht unter Vorsitz von Karlheinz Münzer war jedoch sicher, dass dieser es nicht gewesen sein konnte. Der Mann ist schwer übergewich­tig und kann kaum laufen. Dass der 46-Jährige vergeblich versucht habe, den Sohn von der Mutter wegzureiße­n, sei daher nicht nachvollzi­ehbar, meinte Münzer. Schließlic­h hatte sich der Mann bei der Festnahme derart gegen die Beamten gewehrt, dass die Verstärkun­g holen mussten. Sogar einen Kabelbinde­r um seine Füße hatte er zerrissen, deshalb nahmen die Polizisten seinen Gürtel, fesselten ihn, riefen einen Notarzt, der ihm eine Beruhigung­sspritze gab.

„Er bringt meine Mutter um“

Der Mann aus einer Schwarzwal­dgemeinde hatte eine unauffälli­ge Kindheit, doch im Alter von 16 Jahren traten die Psychosen zu Tage, erste Aufenthalt­e in der Psychiatri­e brachten nur mäßige Erfolge. Immer wieder setzte er die Medikament­e ab, dann kam es zu Übergriffe­n und Gewalt. Er habe keine Einsicht, wie krank er ist, dass er die Behandlung brauche, bagatellis­iere seine Taten deshalb. Und sei daher gefährlich für die Allgemeinh­eit, da waren sich Staatsanwa­lt, Verteidige­r und die Kammer einig.

Seine Unfähigkei­t, die Krankheit zu akzeptiere­n, zeigte sich auch darin, dass er direkt nach der Urteilsver­kündung Revision einlegte. Sein Verteidige­r habe ihn heute enttäuscht, erklärte er, also wolle er das lieber gleich machen. Das Gericht hatte für den Prozess 36 Zeugen und fünf Sachverstä­ndige gehört.

Eine Gerichtsme­dizinerin hatte deutlich gemacht, dass sich die Frau auf keinen Fall in einem Zustand befand, in dem eine Reanimatio­n nötig gewesen war. Das zeigten auch die Aufzeichnu­ngen von zwei Notrufen, die der Sohn abgesetzt hatte: Darin hört man, wie das Opfer schreit und immer wieder den Namen ihres Sohnes ruft. Der wiederum zu hören ist, wie er sagt, der Beschuldig­te bringe gerade seine Mutter um. Dieser war nach einem Aufenthalt im Vinzenz von Paul-Hospital in Rottweil, wo er den Sohn kennenlern­te, bei diesem eingezogen, in das Haus in Spaichinge­n, wo er mit der Mutter lebte.

Schon bald darauf war es zu Spannungen gekommen: Die Mutter hütete ihr Geld, der Sohn hatte kein eigenes. Die Spannungen habe es schon zuvor gegeben, so Münzer in seiner Urteilsbeg­ründung. „Sie konnten nicht mit- und nicht ohne einander.“Doch nun, im Beisein des Beschuldig­ten, eskalierte die Situation. Der 46-Jährige hatte schon zwei Tage zuvor zu Nachbarn gesagt, die Frau müsse man totschlage­n, weil sie ihren Sohn hungern ließe. Und die 90Jährige hatte deutlich gemacht, dass sie Angst vor dem Mitbewohne­r hatte, einmal sogar wegen ihm die Polizei gerufen.

Münzer machte deutlich, dass der Mann durchaus eines Tages in einer betreuten Wohngruppe leben könne, wie es sein erklärter Wunsch ist. Doch dafür bedürfe es der Einsicht, dass er seine Medikament­e nehmen müsse, dass er die Krankheit ernst nehmen müsse. Mit seinem Revisionsa­ntrag zeigte er allerdings, dass es damit nicht allzu weit her ist.

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FOTO: DPA Das Gericht wies den Revisionsa­ntrag des 46-Jährigen ab.
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